„Je näher der magische 1. April rückt, desto unruhiger werde ich.
Warum?
Ich merke gerade ganz stark die Kräfte, die mich zurück in meine Komfortzone ziehen. Erst gestern ertappte ich mich bei dem Gedanken, ob ich mir nicht doch lieber wieder einen Job suchen sollte.
40 Stunden, 3500 Euro, 26 Urlaubstage. Klingt doch gar nicht so schlecht, oder?
Genügend Kohle, um einmal im Jahr in den Urlaub zu fahren. All inclusive, Hurghada, 2 Wochen brutzeln. Und dann zurück. Weiter konsumieren, wie früher. Wie alle anderen.
Normal sein.
Fragen wie „Was, wenn ich nie wieder Geld verdienen werde“ oder „Was, wenn mein Fuck Off Fonds irgendwann aufgebraucht ist und ich vor einem leeren Konto stehe“ spielen in meinem Kopf fangen. Dazwischen rufen nervige Stimmen „Du wirst es nie schaffen!“ und „Was hast Du Dir dabei nur gedacht!“
Ausgerechnet Du!
Dann stehe ich vor unserem immer noch sehr vollen Regal (das eine, das andere ist schon einigermaßen aufgeräumt) und würde am liebsten alles wegwerfen. Den ganzen Ballast über Bord werfen und davonfliegen.
Und ich ertappe mich dabei, wie ich mir wünsche, unsere Wohnung würde abbrennen, nur damit die ganzen Verpflichtungen endlich ein Ende haben…“
Diesen Text habe ich Mitte März geschrieben. An einem Tag, an dem ich ganz tief in meinen Selbstzweifeln steckte.
Es gibt keine Gebrauchsanleitung für ein gutes Leben
Am Tag, an dem ich das geschrieben habe, war ich mittendrin im Vorhaben, mein Leben auf den Kopf zu stellen. Noch mehr, als ich das bis dahin getan hatte. Ich merkte plötzlich, dass dieser Prozess verdammt viel Mut kostet. Verdammt viel Kraft und manchmal auch Überwindung kostet.
Und noch deutlicher wurde mir bewusst, dass niemand mehr kommt und mir erzählt, wo ich dieses „gute Leben“ von dem ich träumte denn nun finde.
Allein auf weiter Flur.
Ich fühlte mich unsicher und so weit entfernt von perfekt wie nur möglich. Und all das erinnerte mich daran, wie ich mich mit 19 (und dann noch einmal mit 26 gefühlt habe)
In Retrospektive sieht alles ganz klein aus
Heute ist nun also mein 29. Geburtstag. Ich bin nicht in Innsbruck auf dem Berg (wann lern ich’s denn, keine Pläne soweit im Voraus zu machen?)
Ich sitze an meinem Schreibtisch um das zu tun, was ich liebe. Und immer wieder schweift mein Blick nach draußen. Aber die Bäume vor dem Fenster sehe ich nicht.
Ich denke zurück an die letzten Jahre meines Lebens, die in der Kündigung vor fast 3 Monaten gipfelten. An die 19-jährige, die gerade ihre erste große Phase des Montagsgefühls durchmachte und den ganzen Tag im Bett lag.
Die sich nicht vorstellen konnte, jemals wieder richtig glücklich zu sein. Die, die nirgendwo dazu gehörte. Die die Bedürfnisse aller anderen als viel wichtiger ansah, als ihre eigenen. Die kopflos dem Leben hinterher lief, das ihr durch die Finger rann, wie Sand.
Hast Du sie auch, diese Momente in denen Du zurückdenkst?
Zurück daran, wie Du früher warst und was Du früher gedacht hast? In diesen Momenten würde ich mich gerne an den Rand ihres Bettes setzen, den Laptop zuklappen und ihr mal so richtig den Kopf waschen, meinem 19-jährigen Ich.
Diesen einen Rat würde ich meinem 19-jährigen Ich gerne geben
Ich würde ihr sagen, dass kein Doctor kommen wird, um sie zu retten. Dass kein Hagrid anklopft, ihr einen Brief reicht und sagt „You’re a witch, Andrea!“ (Zum Schokogeburtstagskuchen würd ich aber nicht Nein sagen!). Kein weißhaariger Zauberer wird Dir Deine Tür bemalen und kein Zwergenprinz klopft bei Nacht und Neben an um Dich auf ein Abenteuer einzuladen (Aber hey, auch zu Thorin würde ich nicht Nein… ähm, naja das tut jetzt nichts zur Sache!)
Du selbst bist es, die ihr Leben auf den Kopf stellen wird. Du findest Deinen eigenen Drachen, den Du zur Strecke bringen musst um an den Schatz zu kommen.
Du hast die Macht, Dein Leben zu verzaubern und so zu gestalten, wie Du es Dir vorstellst! Dein Leben ist bigger on the inside. Du musst nur das Körnchen Mut finden, die Türen aufzustoßen.
Du bist sie alle zusammen. Du bist Harry Potter, Du bist Bilbo Baggins, Du bist Amy Pond.
Die Straße ist schon da und es ist an Dir, den ersten Schritt auf sie zu setzen.
Und noch eins: es wird alles gut. Besser als gut. Es wird großartig! Und das ist erst der Anfang. Vertrau mir.
Welchen Rat würdest Du Deinem Ich von vor 10 Jahren geben?
Ehrlich: Ich denke nicht, dass dir das bei einer ernsthaften Depression geholfen hätte. Diesen Rat soll man wohl auch Depressiven nicht geben. Ich hatte da mal eine Broschüre in der Hand zum Umgang für die Angehörigen. Naja, was soll ich sagen. Meine Mutter hat es leider nicht geschafft, aus der Depression rauszukommen. Sie hat sich für den finalen Weg entschieden. 🙁
Liebe Sandra,
das mit Deiner Mutter tut mir sehr leid.
Das ist definitiv nicht als universeller Antwortsatz für alle Depressiven dieser Welt gedacht. Aber ich stehe zu meiner Aussage. Ich habe immer gehofft, irgendwer würde kommen und mein Leben wieder schön machen. Und das tun bei Weitem nicht nur Menschen, die Depressionen haben. Man kann zwar alle Hilfe erhalten, die nur möglich ist. Man selber muss es wollen.
Ich habe den Satz abgeändert.
Liebe Grüße
Andrea
Das war auch gar nicht als Kritik gemeint. Und ich freue mich, dass du es so für dich geschafft hast.
Viele schaffen es nicht alleine und brauchen Hilfe von außen – am besten professionelle Hilfe. Bei Stimmungstiefs bin ich komplett deiner Meinung. Hilfe zur Selbsthilfe.
Wer keine Depression kennt/hat, kann sich vermutlich nicht vorstellen, wie man sich fühlt und wie verzweifelt man sein muss. Ich hatte auch so Tage, da lag ich wie gelähmt im Bett. Doch das war eher eine Reaktion auf das Geschehene als eine Depression.
Ich wünsche dir noch einen schönen Geburtstag! Genieß den Tag. 🙂
Liebe Grüße,
Sandra
Da bin ich absolut bei Dir! Ich wäre da nicht alleine rausgekommen. Hab mir aber schon gewünscht, ich hätte bestimmte Dinge früher gelernt/ gehört/ gewusst. Deshalb versuche ich ja auch, das in die Welt rauszutragen 🙂 Ganz viele Probleme, mit denen ich gekämpft habe, teile ich mit vielen anderen jungen Frauen. Unabhängig von Depressionen.
Lieben Dank 🙂
Sehr schöner Text, spricht mir aus der Seele <3