Eine Kollegin sagte mal zu mir: „Andrea, lass die Leute nur lange genug reden, dann sagen sie Dir genau, was sie brauchen.“
Das war vor über 3 Jahren und dieser Satz lässt mich bis heute nicht los.
Ich habe so viel über ihn nachgedacht, ich habe Leute reden lassen und ich habe zugehört.
Und dann dachte ich mir: Was ist eigentlich, wenn das auch bei mir selbst funktioniert?
Was wäre denn, wenn ich mich selbst lange genug reden lassen könnte.
Würde ich mir dann auch genau sagen, was ich selbst brauche?
Bei dem Wort „Selbstgespräche“ denkst Du bestimmt als allererstes an die verwirrten Menschen, die einem immer in U-Bahnen begegnen.
Oder vielleicht – wenn Deine Fantasie noch etwas netter ist – an Kinder, die ihr Spiel kommentieren.
Aber vertrau mir, ich stelle Dir heute eine Technik vor, die zwar ein bisschen nerdy aber ganz, ganz weit entfernt von kindisch oder total abgespaced ist.
Zuerst müssen wir uns aber Deinen inneren Monolog genauer anschauen.
Es gibt zwei Arten, nach denen ich unterscheide.
Der passive innere Monolog
Da gibt es zum einen den passiven Teil.
Ihn erlebst Du in Momenten in denen Du unschlüssig bist, was Du kochen sollst.
Spaghetti oder doch lieber Reispfanne?
Oder wenn Du in der Früh still grübelst, welche Strumpfhose wohl besser zu diesem Kleid passt.
Klingt eigentlich ganz harmlos, oder?
Ich muss Dich enttäuschen.
Denn das ist genau der Teil Deines inneren Monologs, der richtig eklig werden kann und dem Du unbedingt auch genügend Aufmerksamkeit schenken musst.
Vorsicht: Arschlochstimme!
Leider ist der passive Zustand auch der, den Du vielleicht aus einem früheren Post als „Arschlochstimme“ kennst.
Die Arschlochstimme kommt immer dann heraus, wenn es darum geht Dich selbst abzuwerten.
Das ist dann – frei nach Fettes Brot – nicht der Engel links, sondern der Teufel rechts, der Dir einredet, dass Du mal wieder nichts geschafft hast, wenn Du Deine To-Do-Liste nicht komplett abgehakt hast.
Sie ist auch die Stimme, die kleine bissige Kommentare loslässt.
Du stolperst. Logisch, Du bist und bleibst ein Tollpatsch.
Du machst einen Fehler. War ja klar, Du kannst auch gar nichts richtig machen.
Du hörst von den Errungenschaften anderer. Sag ich ja, Du bist ein Versager, was hast Du denn schon alles erreicht im Gegensatz zu Deinem gegenüber? Gar nichts!
Das große, riesengroße Problem an dieser Sache ist, dass Du im schlimmsten Fall alles glaubst, was Dir dieses blöde Arschloch in Deinem Kopf erzählt.
Vielleicht ist es Dir nicht bewusst, aber Deine Gedanken haben einen unmittelbaren Einfluss auf Deine Gefühle.
Deine Gedanken und Deine Gefühle sind miteinander verbunden.
Sie greifen ineinander wie die Zacken von Zahnräder.
Bewegst Du das Gedankenrad, bewegt sich automatisch auch das Gefühlsrad.
Wenn Du Dir also – unbewusst – ständig selbst auf die Finger klopfst und Dich nieder machst, verschlechterst Du damit langfristig Dein Selbstwertgefühl.
Natürlich schaffst Du die Aufgabe nicht, Du weißt ja längst, dass Du ein Versager bist.
Und ja, der Fehler muss Dein eigener gewesen sein, Du hast ja tausendmal gehört, dass Du nichts richtig machen kannst.
Das fatale ist, dass Dein Gehirn nicht unterscheidet zwischen der Abwertung durch andere oder durch Dich selbst.
Was kannst Du dagegen tun?
- Führe ein Lobtagebuch: Schreib Dir über einen gewissen Zeitraum (1 Woche, 1 Monat) auf, was Du heute geleistet hast. Das kann alles sein von „Ich habe diesen wichtigen Anruf erledigt, den ich vor mir hergeschoben habe“ bis „Ich habe Sport gemacht“ oder „Meine Haare sahen heute schön aus“. Das fühlt sich zwar einige Zeit komisch an und manchmal wird es hart, etwas zu finden. Aber es ist wichtig, dass Du dran bleibst. Finde jeden Tag einen bis drei Punkte für Dein Lobtagebuch.
- Was habe ich heute gemacht: Wenn Du oft das Gefühl hast, gar nichts getan zu haben, hilft Dir folgender Trick. Überlege Dir beim Zähneputzen 5 Dinge die Du am heutigen Tag erledigt hast. Von banalen bis hin zu großen Errungenschaften hat hier alles Platz.
- Ertappe Dich selbst: Das ist schon eher für Fortgeschrittene. Ziel ist es, Dich jedes Mal zu erwischen, wenn Du Dich wieder abwertest oder in negativen Gedanken festhängst. Wenn Du also wieder denkst, was für ein Versager Du bist, korrigierst Du Dich in Gedanken. Am besten wirkt es, wenn Du Deine negative in eine positive Aussage umpolst. Statt „Nein, ich habe keinen Fehler gemacht“ könntest Du also „Ja, ich habe alles richtig gemacht“ sagen.
- Sei Dein eigener Coach: Stell Dich vor einen Spiegel und sage Dir, wie gut Du bist und wie toll Du Dein Leben meisterst. Für Dein Gehirn wirkt das so, als würde jemand Fremdes mit Dir sprechen und Dich loben. Am Anfang noch echt seltsam, aber garantiert wirksam!
- Neuer Job: Lass Deine Arschlochstimme für Dich statt gegen Dich arbeiten. Sie arbeitet echt super. Nur leider nicht auf der Position, auf der sie momentan sitzt. Deiner Arschlochstimme entgeht nichts? Sie ist super penibel? Vielleicht kann sie in Zukunft auf Dich aufpassen und belastende Situationen enttarnen?
Deine Gefühle werden automatisch Deinen positiven Gedanken folgen und Du kannst mit diesen einfachen Tipps Deinen passiven inneren Monolog schon deutlich mehr zu Deinem Vorteil nutzen.
Dein aktiver innerer Monolog!
Der zweite gleich wichtige, aber oft vernachlässigte Part ist der aktive innere Monolog.
Die wenigsten von uns nutzen diesen Teil überhaupt. Und das ist tragisch, denn Du verschenkst damit unglaublich viel Potential. Wenn Du die Kontrolle über Deinen inneren Monolog ablehnst, verschenkst Du damit die Möglichkeit, mit Dir selbst viel intensiver in Kontakt zu treten, als Du das bisher getan hast.
Leider denken die meisten Menschen, dass Selbstgespräche führen völlig gaga ist.
Vertrau mir, wir sind es nicht!
Ich habe – ausgehend von der Aussage meiner Kollegin – ein Konzept entwickelt, mit dem Du nicht nur Spaß an Selbstgesprächen hast, sondern auch noch extrem von ihnen profitieren kannst.
Bei mir waren die positiven Effekte zum Beispiel bisher:
- Herausfinden was genau ich will
- Meinen Wünschen, Träumen und Zielen näher kommen
- Wichtige Entscheidungen treffen
- Mein Business genau definieren
- Und vieles mehr
Interessante Selbstgespräche setzen einen klugen Partner voraus.
– H.G. Wells
Ungefähr 2-3x im Monat nehme ich mir Zeit und gehe ganz bewusst in den inneren Monolog mit mir selbst.
Für mich funktioniert es am Besten, wenn ich mir vorstelle, dass ich mich etwa 5 Jahre in der Zukunft befinde. Ich bin etwa 32 und mein absolutes Lieblingsmagazin (Print, Radio, TV – egal!) möchte unbedingt einen Bericht über mich machen. Sie kommen zum Interview zu mir nach Hause.
Und sie wollen natürlich alles über mein Leben wissen!
- Wo lebe ich?
- Wieso lebe ich dort?
- Mit wem lebe ich zusammen?
- Was arbeite ich?
- Und wieso bin ich so ungeheuer erfolgreich?
Mein Interviewer (also mein Bewusstsein) hat erst einmal natürlich nur eine ganz grobe Ahnung davon, was mich, den Interviewten (mein Unterbewusstsein) antreibt und ausmacht.
Es ist übrigens ok, wenn Du jetzt schmunzelst oder sogar laut lachst. Ich weiß es klingt erst einmal absurd, aber Du kannst Dir nicht vorstellen, was ich alles schon herausgefunden habe.
Wenn mein Unterbewusstsein frei von der Leber weg sprechen darf, kommen die wunderbarsten Erkenntnisse zutage. Es hat die ausdrückliche Erlaubnis meines Verstandes, Luftschlösser zu bauen.
Erstaunlich finde ich immer wieder, dass meine Luftschlösser aber eher Bauten von Hundertwasser ähneln. Auf den ersten Blick sehen sie erst einmal verrückt aus, aber bei näherem Hinsehen entpuppen sie sich als erstaunlich gut durchdacht, sehr gut umsetzbar und wunderschön.
Du musst die Menschen nur lange genug reden lassen, dann erzählen sie Dir genau was sie brauchen.
Ja, dieses Konzept funktioniert 100%ig auch, wenn Du gleichzeitig der Mensch bist, der erzählt und der zuhört. Meistens mache ich das, während ich längere Strecken mit dem Auto fahre oder mal für eine Zeit allein zuhause bin.
Manchmal spreche ich dabei deutsch und manchmal englisch, manchmal sitze ich und manchmal laufe ich umher.
Ich schreibe selten auf, was ich so erfahre, außer natürlich die richtig guten Ideen, die ich mir unbedingt genauer anschauen muss. Ich sehe das eher als Trainingslager für meinen Verstand.
Er behält sich ganz genau, was ihm wichtig ist. Er justiert, wo er es benötigt. Er verliert, was unwichtig ist. Er profitiert von jedem Gespräch und ich richte mein Leben dann nach den Dingen aus, die mir wichtig sind.
Nach den Punkten, die immer wieder auftauchen.
Ich erschaffe eine Seekarte für mich. Eine Karte für unerforschte Gewässer. Ich verzeichne Untiefen in ihnen. Und Hindernisse. Und so navigiere ich zu meiner nächsten Insel, in mein neues Leben.
Ich empfehle Dir aus tiefster Überzeugung, Deinen passiven und aktiven Monolog für Dich zu nutzen.
In Dir schlummert viel verstecktes Potential, das Du verschenkst, wenn Du Deinen inneren Monolog einfach unbeachtet an Dir vorbei ziehen lässt. Im Idealfall können Selbstgespräche Dir helfen, mehr in Dir selbst zu ruhen. Zumindest aber wirst Du erstaunt sein, was Dein Unterbewusstsein so alles in petto hat für Dich.
Hey Andrea, ein toller Artikel mit ganz viel Inspiration! 🙂
Ich habe früher auch regelmäßig mit mir selbst gesprochen wenn ich alleine war, bis ich gemerkt habe, was ich da eigentlich mache und dann kam ich mir doof vor. Aber interessant, welcher Nutzen tatsächlich darin stecken kann! Auch die Sache mit dem Spiegel finde ich sehr einleuchtend, probiere ich mal aus!
LG
daher fahre ich seit 30 Jahren alleine in den Urlaub. Redeverbot – nur das nötigste – kein smaltalk – nur ausgewählte Bücher, keine Musik (denn die ist oft auch mit Erinnerungen verbunden) und dann am Strand spazieren gehen – schauen, was da für Gedanken aus der Tiefe ans Licht wollen. Es ist nicht immer nur angenehm – aber soooo befreiend und klärend.
Heute schaff ich das auch für mich alleine hier zu Hause – einfach mal alles andere zur Seite legen. Fahrradtour, wieder Spaziergang, oder ähnliches – ein Wochenende lang – herrlich. Schafft neue Freiheit und Leichtigkeit. Ich kann es wärmstens empfehlen.
Tolle Anregung – dank Dir sehr
herzlichst
Greta
Das klingt nach einem wunderbaren Achtsamkeitsurlaub. 🙂 Ich möchte mit meinem Hund im Oktober mal für eine Zeit ans Meer fahren, klingt perfekt, denn mit Hunden muss man ja nicht verbal kommunizieren und sie sind tolle Begleiter für den Einstieg in die Mindful (oder leer? 😉 ) ness finde ich 🙂
Hab ganz lieben Dank für Deine tollen Tipps, liebe Greta!