Ich stehe unten an der Rolltreppe, meine Tasche ist schwer, ich bin erschöpft vom Tag im Büro. Es dauert zehn Sekunden bis die Treppe ihre Richtung ändert und mich vom U-Bahnhof ins Freie trägt.
Diese Sekunden dauern ewig.
In meinem Kopf spielen sich schlimme Szenen ab.
Was denken die Leute wohl von mir?
Die Dicke kann noch nicht mal die paar Stufen nach oben steigen? Faules Stück, bequemes Stück. Ich male mir in den scheußlichsten Farben aus, wie abfällig sie mich ansehen.
Schnitt
Das Studium finde ich schon seit Woche 2 blöd. Von allen Inhalten (immerhin noch 6 Semester) interessieren mich vier Module. Inklusive Englisch, das ich sowieso schon sehr gut spreche. Die anderen drei Qualifikationen könnte ich mir online aneignen – für einen Bruchteil der Kosten meiner Privatuni.
Aber ich habe nicht den Mut aufzuhören.
Ich stehe dann sicherlich bald auf der Straße. Ich hab zwar eine Ausbildung. Gute Abschlüsse. Viel Berufserfahrung.
Trotzdem.
Ich bin mir sicher meine Angst ist begründet.
Schnitt
Solche Situationen passieren mir ständig und ich weiß: ich bin damit nicht allein.
Warum ist das so? Warum lassen wir immer wieder zu, dass uns diese Arschlochstimme so manipuliert? Diese Stimme in meinem Kopf ist wie eine richtig fiese Pippi Langstrumpf. Sie macht sich meine Welt wie sie ihr gefällt. Und sie liebt Katastrophen.
Wenn es nach ihr ginge, wäre ich schon tausendmal
- obdachlos
- geplatzt
- bis zum Hals verschuldet
- einsam und allein.
Bin ich natürlich nicht, aber die Arschlochstimme sagt mir, dass die Bedrohungen echt sind.
Und vor lauter Bäumen sehe ich auf einmal den Wald nicht mehr.
Die schlechte Nachricht zuerst: Diese Angst loszuwerden, kann ein bisschen dauern, denn die Stimme in Deinem Kopf ist hartnäckig.
Aber: Die Gegenstrategie ist total einfach und braucht einfach nur ein bisschen Übung.
Und wenn das keine tolle Nachricht ist, na dann weiß ich auch nicht.
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7 Worte, die Dein Leben verändern werden
Was ist das schlimmste, was passieren kann?
Ja, glaub mir, diese 7 Worte sind alles, was Du brauchst.
Ehrenwort.
Ein Beispiel gefällig?
Nehmen wir mal an, Du willst Deinen Job kündigen.
Weil Deine Kollegen Dich mobben. Oder Du viel lieber Schafzüchter in Australien werden möchtest. Oder Du einfach nur unzufrieden bist. (Und ja, das ist ein Argument!)
Auf Knopfdruck schaltet sich Deine Arschlochstimme ein.
Und sie löst sofort den Katastrophenalarm aus. Die Sirenen heulen, die Warnlichter blinken!
SOS! 3. Weltkrieg im Anmarsch!
Sie macht das echt gut, innerhalb weniger Sekunden fühlst Du Dich wie das Kaninchen vor der Schlange – noch. Nur dieses eine Mal ist etwas anders.
Dieses eine Mal übernimmst plötzlich Du die Kontrolle.
Du sitzt nicht in einer Nussschale auf dem tosenden Meer, wirst hin und her geworfen. Du stehst am Steuer und gemeinsam werden wir dieses Baby jetzt durch das Bermuda-Dreieck Deines Gehirns schippern. Und dabei noch ziemlich viel Spaß haben.
2 kleine Schritte gegen die Angst
Nimm Dir Stift und Papier oder Deinen Laptop zur Hand.
Als erstes schreibst Du Dein Vorhaben auf z.B. „Ich will kündigen“
Und dann tobst Du Dich richtig aus. Ich will, dass Du alles aufschreibst, was schief gehen könnte. Was ist das aller-, allerschlimmste, was passieren kann? Jetzt ist die Zeit fürs Hochstapeln gekommen.
Auf nach Absurdistan. The sky is the limit.
Deine Liste könnte dann so aussehen:
- Ich werde arbeitslos
- Ich verliere meine Wohnung
- Ich werde obdachlos
- Mein Partner trennt sich von mir
- Ich werde kinderlos sterben
- Meine Entscheidung reißt ein Loch ins Raum-Zeit-Kontinuum und die Erde wird explodieren
- Ich ende in einer Sozialwohnung mit 30 Katzen
Sorgst Du Dich noch oder lachst Du schon?
Du lachst?
Super, am Besten Du gehst sofort zum 2. Schritt über: Nimm Dir jeden einzelnen Punkt vor und überprüfe ihn.
Wie realistisch ist das Szenario?
Ist das Gefühl wahr? Ist es berechtigt? Stell Dir vor, Du stehst mit Deiner Liste in einer Umkleidekabine. Und dieses undankbare Neonlicht – Du weißt, welches ich meine – zeigt Dir die schonungslose Wahrheit.
Los geht’s.
Du findest nicht sofort eine Stelle und Du bist arbeitslos
Jippie, dafür gibt es unser Sozialsystem und dafür hast Du auch bisher Deine Beiträge bezahlt
Für Dich ist garantiert bei einer der 466.000 bis 502.000 gemeldeten freien Stellen in Deutschland was dabei (Quelle: letzte 4 Statistiken der Bundesagentur für Arbeit)
Falls nicht kannst Du Dir auch noch Deinen eigenen Beruf erfinden.
Hier beschreibt Carina von Pink Compass und Um 180 Grad, wie ihr das gelungen ist.
Du wirst obdachlos
Um dem Verlust Deiner Wohnung entgegenzuwirken rate ich Dir, einen Rainy Day Fonds anzulegen. Du legst so viel Geld beiseite, dass Du davon 3 – 6 Monate überleben kannst. Das reicht, um Dir einen neuen Job zu suchen.
Manchmal reicht es auch schon, wenn Du Dich intensiv auseinandersetzt mit Deiner Angst. Finde z.B. heraus welche Hilfsangebote es für Arbeitslose oder Obdachlose in Deutschland gibt.
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Dein Partner ist weg und Du wirst einsam sterben?
Es ist wichtig Deine Entscheidungen zu kommunizieren. Rede mit Deinem Partner und auch Deiner Familie darüber. Du musst Dich nicht ewig rechtfertigen, aber beziehe sie mit ein. Sie werden es Dir danken. Und sie werden Deinen Entschluss verstehen.
Vielleicht werden sie sich Sorgen um Dich machen.
Aber Du machst ihnen klar: Das hier ist Dein Leben, in dem Du die Entscheidungen für Dich triffst.
Streit entsteht oft nur aus dem Gefühl übergangen zu werden.
Die Welt wird untergehen
Für das Raum-Zeit-Kontinuum wird Dein Jobwechsel wahrscheinlich nicht gefährlich sein. Auch um die Erde musst Du Dir keine Sorgen machen. Sie wird sich weiter drehen. Ja, sogar wenn Du Dich gegen Deinen aktuellen Job entscheidest.
Die Kampfansage wird Dein bester Freund
In 99% der Fälle ist es Deine Arschlochstimme, die Dir die ganzen Katastrophen vorgaukelt.
Ehrlich, bei mir ist noch niemals etwas eingetreten, was ich mir schreckliches ausgemalt habe.
Und kein Horrorszenario hat jemals diese Frage überlebt.
Die Probleme, die aus der Entfernung für Dich riesig und unüberwindbar wie der Mount Everest scheinen, entpuppten sich bei näherem Hinsehen eher als Schlittenhügel.
Rauf keuchst Du zwar ein bisschen. Aber Du saust mit großem Spaß und viel Schwung auf der anderen Seite wieder runter.
Anfangs hast Du – zugegeben- noch ein bisschen Arbeit mit dieser Methode.
Wenn sie Dir dann aber erst einmal in Fleisch und Blut übergegangen ist, kann Dich nichts mehr aufhalten.
Und es gibt sogar noch den besten positiven Effekt, auf den Du Dich freuen kannst.
Für jede Türe, die Du hinter Dir schließt, öffnen sich drei neue
Mindestens!
Du wirst überrascht sein, welche Möglichkeiten sich ergeben.
Nur allein deshalb, weil Du eine Entscheidung für Dich getroffen hast.
Für Dich und für niemand anderen.
Hast Du meinen Tipp ausprobiert? Über welches absurde Problem hast Du am meisten gelacht? Erzähl mir davon in den Kommentaren!
Liebe Andrea!
Es hört sich grad ein bisschen irre an,aber seitdem ich Deinen Blog entdeckt habe und ihn regelrecht verschlinge habe ich das Gefühl einen kleinen Lichtblick gefunden zu haben…
Ich-39…fast 40-bin nach 18jähriger Beziehung und einer langen Zeit des Aufschiebens mit meinem kleinen Sohn in eine eigene Wohnung gezogen.Es liegt nicht immer an der Liebe,denn diese besteht nach wie vor und hat gar keine schlechten Aussichten-doch ist es tatsächlich so,dass ich mich seit 2,3 Jahren fremd in mir und heimatlos fühle.
Nach dem Auszug-es war einfach an der Zeit die Notbremse zu ziehen-kam ersteinmal der große Fall…keine schöne Zeit-doch ein paar Sachen sehe ich nun schon viel deutlicher.Funktioniert habe ich nur noch für andere und tue es teilweise auch immer noch…
Wo sind meine Träume geblieben?Was ist aus meinen Interessen geworden? Warum bin ich so unzufrieden?Kann ich nicht dankbarer sein?…..
Mindestens 1001 Fragen die mich täglich beschäftigen und immer diese Arschlochstimme die dagegen hält!!!!
Professionelle Hilfe in Form von Psychologen oder Beratungsstellen darf man nicht erwarten,denn traurigerweise bekommt man diese erst nach monatelanger Wartezeit oder man muss hier in Deutschland schon auf einer Brücke stehen…und auch wenn es mir alles andere als gut ging war ich nicht gewillt mich dem einfach zu fügen und habe versucht Ansätze für mich durch Literatur und Internet zu finden.Dann switchte ich mich auf der Suche nach irgendwas nützlichem durch Backrezepte und Meeresbilder bei Pinterest und stieß dabei zufällig auf Deinen Blog.
Ganz unmotiviert las ich mich durch die ersten Entrümplungstipps und war plötzlich mittendrin.
Viele Sachen die Du beschreibst hatte ich bereits für mich wahrgenommen,sprich Facebook und viele Oberflächlichkeiten bereits aus meinem Leben verbannt…
Ich merke immer mehr,daß die einfachsten Dinge die schönsten sind und versuche zunehmender endlich nur noch auf mein richtiges Ich zu hören.
Auf dieser Suche ist Dein Blog so ziemlich das was ich gebraucht habe…ein kleiner Wegweiser der mich ein bisschen begleitet beim“richtigmachen“.Ein groooßes DANKESCHÖN dafür!!!
Ich werde mit Begeisterung weiterlesen und noch einiges an Mut aufbringen müssen um“noch besser“zu werden aber vor allem werde ich dranbleiben!!!Liebe,liebe Grüße Nicole
Wow….mal wieder den Nagel auf den Kopf getroffen! Ich leide so unter meiner ausgeprägten Existenzangst, die in manchen Ausführungen so unlogisch ist, das es fast schon an Lächerlichkeit grenzt…
Und hey für mein Drama im Kopf könnte ich glatt einen Oscar bekommen 😉
Ich mag deinen Blog und einiges hat mir schon weitergeholfen….Nun versuche ich mich mit dieser Methode von der Angst zu befreien…denn es ist anstrengend, nervig und kostet Energie, die ich woanders mehr gebrauchen könnte 😏
Vielen lieben Dank das es Dich und deinen Blog gibt…ich freue mich auf me(e)hr 😘
Lg Sonja
Liebe Andrea,
heute morgen habe ich Deinen Blog entdeckt – ich war auf der Suche nach Motivation und einem möglichst kräftigem Schubs, um endlich mit dem Entrümpeln meiner Wohnung anzufangen (was ich schon ewig vor mir herschiebe und was mit richtig schwer fällt), und hab bei Dir richtig gute Denkanstöße gefunden. Ganz herzlichen Dank dafür!
Inzwischen lese ich mich schon fast 2 Stunden querbeet durch die Seiten, denke viel nach und erkenne mich in so vielem selbst wieder. Ich bin sehr bewegt – sowohl emotional, aber auch im Sinne von „es hat etwas in mir angefangen, in Bewegung zu kommen“.
Es wäre viel zu viel, zu all Deinen interessanten Themen etwas zu schreiben. Deshalb will ich nur zu diesem Thema mein Beispiel erzählen, an das ich mich beim lesen wieder erinnert habe.
Vor etlichen Jahren (meine 2. Ausbildung, endlich mein Traumberuf, aber leider ein sehr unfähiger und unwilliger Chef), sah ich mich gezwungen, meinem Chef eine Abmahnung zu geben, um so meine Vorbereitungszeit für die baldige Abschlussprüfung zu retten. Ich graulte mich enorm davor, dies wirklich zu tun. Dabei hatte ich meine Prüfungszulassung schon und war damit für die restliche Ausbildungszeit unkündbar, und die Handwerkskammer hatte ich auch auf meiner Seite.
Ich redete mit meiner Schwester darüber, wie wenig ich mich der Situation gewachsen fühle. Irgendwann fragte ich sie, was mein Chef denn schlimmstenfalls tun könnte. Sie überlegte kurz, dann sagte sie ganz trocken: „Er könnte eine Zange nehmen (von denen es an meinem Arbeitsplatz ca. ein Dutzend gab) und dich damit ins Ohr kneifen.“ Wir haben beide so lachen müssen! Was für eine völlig absurde und schräge Idee! Und die Situation hatte plötzlich ihren Schrecken verloren.
Am nächsten Tag zog ich es durch. Und es war danach ein unglaublich gutes Gefühl, mich getraut zu haben und für meine Interessen eingetreten zu sein. Ich bekam genügend Vorbereitungszeit, die Prüfung lief gut, mit sehr gutem Ergebnis.
Aber das beste daran ist: noch lange danach, wenn ich mal wieder vor einer großen Herausforderung stand, fiel mir diese Begebenheit wieder ein. Und dann spürte ich wieder das genau gleiche, großartige und energiegeladene Gefühl von Mut und Stärke in mir wie damals, ganz real und greifbar, und profitierte jedes Mal wieder davon.
Ich danke Dir, dass Du mich heute an diese enorm hilfreiche Frage erinnert hast, und besonders für die vielen wunderbaren Gedanken und Inspirationen auf Deinem Blog.
Herzliche Grüße von Annette
Liebe Annette 😀 ich musste so grinsen über das „worst case scenario“, das sich Deine Schweter ausgedacht hat 😀 suuuper! Aber genau das ist die perfekte Herangehensweise.
Und hier: „Aber das beste daran ist: noch lange danach, wenn ich mal wieder vor einer großen Herausforderung stand, fiel mir diese Begebenheit wieder ein. Und dann spürte ich wieder das genau gleiche, großartige und energiegeladene Gefühl von Mut und Stärke in mir wie damals, ganz real und greifbar, und profitierte jedes Mal wieder davon.“ – GÄNSEHAUT ❤
Ich danke DIR für’s Teilen dieses Erlebnisses!
Alles Liebe
Andrea