Statt „Ich habe keine Zeit“ zu sagen, sag nächstes Mal „Das hat für mich keine Priorität“ und schau, wie sich das anfühlt.
-Laura Vanderkam
Dieses Zitat habe ich vor einiger Zeit auf meiner Facebook-Seite geteilt und ich erwartete eines: Sehr gespaltene Reaktionen.
Eine Kommentatorin fragte mich, ob ich tatsächlich so absagen würde.
Ich kam ins Grübeln.
Aber stellen wir uns die Situation doch mal vor:
Dein Smartphone klingelt, Du bekommst eine Nachricht.
Deine beste Freundin schreibt: „Hey, können wir uns heute Abend treffen? Ich bin immer noch total fertig wegen [diesem einen Typen da].“
Und Du antwortest kurz und knapp: „Nein. Das hat heute für mich keine Priorität.“
Bäm, der sitzt.
Ob sie Dich danach noch mal fragen würde oder Dich noch zu ihren besten Freundinnen zählt?
Fragwürdig.
Die Sache ist die: Wenn Du mich vor einem Jahr gefragt hättest, ob ich jemals jemandem so absagen würde, ich hätte Dich ausgelacht und entgeistert angeschaut.
Verpflichtungen
Viele Dinge, die Du und ich tagein, tagaus so tun, sind nichts anderes als Verpflichtungen.
Wir stehen morgens auf.
Wir gehen in die Uni oder zur Arbeit.
Wir machen den Haushalt.
Wir kaufen ein.
Wir zahlen Rechnungen.
Wir machen Sport.
Wir sterben.
Das sind die Pflichten und ohne sie, da geht gar nichts mehr.
Über den Unterschied habe ich mich in diesem Artikel schon lang und breit ausgelassen, deshalb gehe ich jetzt nicht zu sehr in die Tiefe.
Aber im Grunde ist es doch genau das, oder?
In Deinem Leben gibt es Dinge, die tust Du weil Du es willst und Dinge, die tust Du weil Du es musst.
Verpflichtungen sind dafür da um abgeschafft zu werden.
Verpflichtungen sind die Dinge, die Du nur machst, weil es nicht anders geht.
Weil Du Kohle brauchst um Deine Miete zu bezahlen, weil Du weiterhin Deine Wohnung beheizen willst, Du was essen musst.
Du, ich hab wirklich keine Zeit
Diese Ausrede, DIE Ausrede unserer Generation macht – für mich – gefühlt aus jedem potentiellen Ereignis eine Verpflichtung, der es unbedingt zu entkommen gilt.
Die Wohnung müsste geputzt werden? Ich hab keine Zeit!
Ich sollte einkaufen, weil ich nichts mehr zuhause habe. Schaffe ich heute nicht mehr. (Ladenöffnungszeiten my ass)
Die Stunde Yoga am Abend sollte ich machen! Aber, verdammt, ich hab wirklich keine Zeit dafür!
Verstehst Du, worauf ich hinaus will?
„Ich habe keine Zeit“ ist nicht die Wahrheit. Du hast genügend Zeit zu Deiner Verfügung. 168 Stunden, 10080 Minuten in der Woche.
Du schläfst wahrscheinlich um die 40 Stunden, arbeitest genausoviel. Dann bleiben aber immer noch 88 Stunden, die Du Dir einteilen kannst.
Und wie Du Dir diese 88 Stunden (5280 Minuten) einteilst ist Deine eigene Entscheidung.
Es hängt also ausschließlich davon ab, wie Du selbst Deine Prioritäten setzt.
Wenn du sagst „Ich habe keine Zeit“ ist das eine Lüge.
Du nutzt sie, weil:
- Du die andere Person nicht verletzen willst
- Du keinen Nerv für lange Erklärungen hast
- Du einfach keine Lust hast
- Du schon andere Pläne hast
- Dein Zeitmanagement nicht optimal ist
- oder es einfach nur etwas gibt, was Du lieber tätest
Es ist so viel leichter, zu sagen, ich habe keine Zeit. Das kennen wir alle, das ist gesellschaftlich total akzeptiert. (Toll auch „Ich habe keine Kapazität für das“ – dabei ertappte ich mich kürzlich, ist auch nur ein anderer Satz für „Das hat keine Priorität für mich.“)
Ich glaube, dass die Wahrheit einer Lüge generell vorzuziehen ist.
-Albus Dumbledore
Warum Du die Wahrheit sagen darfst
Und da bin ich auch wieder bei der Situation vom Anfang. Natürlich würde ich meiner besten Freundin kein „Du, das hat jetzt keine Priorität für mich“ ins Gesicht knallen. Schon gar nicht per SMS.
Aber ich lüge sie auch nicht an, sondern gebe ihr die Antwort, die sich für mich gut anfühlt.
Es ist völlig in Ordnung, wenn Du keinen Nerv für lange Erklärungen hast. Es ist legitim, dass Du keine Lust hast und selbstverständlich auch, dass Du andere Pläne für Deine Zeit hast!
Das Problem ist, dass Du glaubst, Du hättest Zeit.
-Jack Kornfield
Du fragst Dich jetzt wahrscheinlich, ob dieses Zitat (das übrigens oft Buddha zugeschrieben wird), nicht genau das Gegenteil von dem beweist, was ich Dir gerade erzähle. Da steht es doch: Du glaubst Du hättest Zeit. Aber Du hast keine!
Owned!
Aber die Quintessenz dieses Zitates ist eine andere, zumindest empfinde ich das so.
In unserer Generation gibt es eine riesige Bandbreite an Zeitempfinden.
Einerseits habe ich oft das Gefühl, dass mir unbegrenzt Zeit zur Verfügung steht. Andererseits merke ich, wie rasend schnell ein Tag vorbei geht, eine Woche, ein Monat ein Jahr.
Und oft wird mir, und Dir sicher auch, nur in absoluten Ausnahmefällen – etwa wenn jemand in Deinem Umfeld einen Unfall hat oder schwer erkrankt – bewusst, wie wertvoll Deine Zeit eigentlich ist.
Deine Zeit ist Dein kostbarstes Gut.
Viel kostbarer als alle materiellen Gegenstände.
Aber im Gegensatz zu Gold, haben wir diese unfassbare Zahl an Stunden (mehr als 700.000 in einem „normal“ langen Leben).
Und genau das macht die Zeit für uns einerseits so kostbar und andererseits fast wertlos.
Wenn Gold überall herumläge, wäre es für uns nicht mehr wertvoll.
Und gerade weil Deine Zeit so unglaublich wertvoll ist, darfst auch nur DU selbst entscheiden, wie Du sie verwendest.
Aber das ist doch total egoistisch?
Egoismus ist ein unglaublich negativ behaftetes Wort in unserer Gesellschaft. Wenn ich so drüber nachdenke, würden 80% das Wort sogar negativer empfinden, als z.B. das Wort Atomkraftwerk.
Denn der Egoismus ist der Virus, der unser gesellschaftliches Gefüge von innen heraus zerfrisst.
Ist doch so, ne?!
Wenn ich eines im vergangenen Jahr gelernt habe, dann ist es das: Du musst und darfst egoistisch sein. Es ist nicht nur ein Privileg, es ist eine Verpflichtung! Und zwar eine, zu der Du nicht sagen kannst „Ich habe keine Zeit“.
Wenn du mit Deiner Zeit (=Kraft) nicht richtig haushaltest und, vor allem, nicht für DICH selbst wirtschaftest, tust Du Dir damit mittel- bis langfristig keinen Gefallen.
Du erinnerst Dich an meine Worte aus diesem Artikel:
Der einzige Mensch, der Dein Leben gut finden muss bist Du selbst.
Wenn Dich also Deine beste Freundin fragt, ob Du sie triffst und aus irgendeinem Grund hast Du „keine Zeit“ dann halte noch mal inne.
Überlege Dir, was der wirkliche Grund für diese Ausrede ist.
- Fühlst Du Dich danach, sie zu treffen?
- Kannst Du ihr richtig zuhören?
- Beschäftigen Dich andere Dinge?
- Möchtest Du lieber allein sein?
- Hast Du schon Pläne?
Du tust niemandem einen Gefallen, wenn Du Dich selbst aufgibst. Wenn Du zu einem Treffen gehst, obwohl Du selbst im Kopf ganz woanders bist.
Ich sage also die Wahrheit, ich sorge für mich und meine Bedürfnisse.
Weil ich für mich an erster Stelle komme.
Und das solltest Du auch für Dich sein: Deine allererste Priorität.
Du wirst mehr in Dir ruhen, mehr mit Deinen Wünschen und Bedürfnissen in Kontakt kommen.
Du wirst Deine Zeit zu schätzen wissen und die anderen auch. Sie wird wieder zu dem Gold, das eben nicht überall herumliegt, sondern etwas besonderes ist.
Du selbst und die anderen werden es Dir danken.
Sollte der Druck in der Kabine sinken, fallen automatisch Sauerstoffmasken aus der Kabinendecke. In diesem Fall ziehen Sie eine der Masken ganz zu sich heran und drücken Sie die Öffnung fest auf Mund und Nase.Danach helfen Sie Mitreisenden (Kindern).
-Sicherheitsinstruktionen im Flugzeug
Hallo Andrea,
ein sehr treffender Artikel, der zum Nachdenken anregt. Bei der Yogastunde fühle ich mich ertappt, die habe ich nämlich gestern ausfallen lassen, weil ich dachte „keine Zeit zu haben“. Tatsächlich war die Zeit da, es hatte für mich in dem Moment einfach keine Priorität. Eine interessante Sichtweise, die vieles umstülpt.
LG
Anja
Liebe Andrea, ich finde es durchaus richtig den Leuten die Wahrheit zu sagen. Wenn ein Freund mit dir Shoppen gehen möchte, dir aber lieber nach Sofa ist, dann sollte man offen sein und sagen, dass man einfach andere Prioritäten hat. Aber gerade in deinem Beispiel, wenn uns ein Freund braucht, bin ich der Meinung sollten auch eigene Wünsche hinten anstehen. Vielleicht nicht, wenn du dir zum 10. Mal die Story über den untreuen Freund anhören musst und die Person immer noch nichts daran ändern möchte. Aber für seine Freunde/Familie in solchen Situationen da zu sein, macht doch diese Beziehungen auch aus. Wenn du allein bist, jemanden zum Reden brauchst und weißt da ist jemand den du immer anrufen kannst, das ist doch schön.
Liebste Grüße
Dani
Liebe Dani,
ja, da stimme ich Dir schon zu! Natürlich ist es wichtig, für Familie und Freunde da zu sein, nur wenn es Dir selbst gerade richtig schlecht geht, bist Du unter Umständen nicht in der Lage, wirklich da zu sein. Da ist Abgrenzung schon wichtig.
Wenn ich die Wahl zwischen Sofa oder „jemandem, den ich liebe, geht’s schlecht“ hätte, würde ich in 99% der Fälle letzteres „wählen“ nur wenn es bei mir eben nicht geht, dann auch die Entscheidung für mich treffen. Das heißt ja nicht, dass es eine Entscheidung gegen die andere Person ist 🙂 Sondern eben FÜR mich selbst 🙂
Wenn ich jemandem mein Leid klagen will, bin ich doch auch dankbar, wenn es der Person dadurch nicht schlechter geht und sie mir auch wirklich zuhören kann. Aber das kommt natürlich auch immer auf die jeweilige Situation an!
:*
Andrea
Toller Bericht uns sehr treffend formuliert. Habe mich oft kopfnickend erwischt. 🙂
Weiter so!
Liebe Grüsse,
Doris
Vielen Dank liebe Doris <3 Das freut mich total!! 🙂
wunderbar auf den Punkt gebracht – ja sich selbst klar darüber sein, dass wir der Herr in unserem Oberstübchen sind – wir sind der, der die Zeit einteilt (oder einteilen sollte) in unserem Leben.
Danke
Greta