Ich gebe zu, ich bin spät dran zur Party.
Vor fast einem halben Jahr kam der Film „Wild“ bereits in die Kinos und ich wollte ihn damals unbedingt sehen.
Und zwar genau 3 Stunden lang, dann hatte ich ihn schon wieder vergessen.
Auch wenn das jetzt der beste Aufhänger für einen Artikel über unsere erschreckend kurze Aufmerksamkeitsspanne wäre – darum geht es mir heute nicht.
Falls Du weder das Buch von Cheryl Strayed gelesen noch den genialen Film mit Reese Witherspoon gesehen hast, will ich Dir nur kurz die Geschichte umreißen, damit wir beide auf dem gleichen Stand sind.
Cheryl Strayed ist 23 als ihre Mutter an Krebs erkrankt und kurz darauf stirbt.
Die nächsten 3 Jahre betäubt sie ihre Trauer mit Drogen, ihre Ehe scheitert und mit 26 entschließt sie sich einen Teil des Pacific Crest Trails (PCT) zu laufen.
Über 1500km Kilometer.
Ganz allein.
Während ich diesen Film gesehen habe, hatte ich natürlich Lust meinen imaginären Rucksack zu packen und auch loszulegen (zumindest bis sie einer Klapperschlange begegnet).
Aber es gab da noch etwas, was für mich noch eindrücklicher war.
Noch inspirierender.
Es hat sich in meinen Kopf eingebrannt.
Und mich ohne Witz bis heute – über eine Woche später – nicht losgelassen.
Was mich nicht losgelassen hat
In einer Szene singt Cheryls Mutter vor sich hin und Cheryl ist wütend.
Sie haben kein Geld, sie arbeiten beide neben dem Studium als Kellnerinnen. Und ihre Mutter singt.
Die beiden streiten sich. Und die Mutter sagt:
Cheryl, if there’s one thing I can teach you, it’s how to find your best self and when you do, hold on to it for dear life.“
Mind blown!
Wenn es eines gibt, was ich Dir beibringen kann, dann wie Du Dein Bestes Ich findest.
Da. Das ist er.
Dein Bestes Ich
Seit Tagen laufe ich also mit der Idee des besten Ichs herum und ich habe versucht, mir einen Reim darauf zu machen.
Denn mir war von vorne herein klar, dass ich diese Idee mit Dir teilen muss.
Aber auch, dass ich erst einmal verstehen musste, wovon genau ich da eigentlich spreche.
Drei Fragen kristallisierten sich für mich heraus:
- Worum genau geht es beim Besten Ich?
- Wo finde ich mein Bestes Ich?
- Wie werde ich mein Bestes Ich?
Auf diese Fragen wollte ich Dir eine Antwort geben.
Ich habe also angefangen zu recherchieren.
Stundenlang schlug ich mir Website um Website um die Ohren.
Wie zur Hölle geht das mit der Selbstfindung?
Und dabei habe ich erkannt, dass es vor allem wichtig ist, eine Frage zu beantworten.
Worum es nicht geht
Etwa 60% aller meiner Ergebnisse, gaben detaillierte Anleitungen dazu, wie viel Sport Du treiben sollst, wie dünn, wie muskulös, wie durchtrainiert Du sein musst.
Nein, Moment, wie durchtrainiert Dein Bestes Ich sein muss.
Und natürlich gab es auch unzählige Seiten zur absoluten Selbstoptimierung. Wie sprichst Du mit Männern, um Deine Wirkung auf sie zu perfektionieren, wie bist Du die perfekte Frau, Liebhaberin, Freundin, Mutter, Angestellte.
Ich war schockiert.
Und dann eigentlich gar nicht mehr.
In jeder Zeitschrift, Fernsehsendung wird Dir erzählt, wie Du zu sein hast.
Du hörst tagein, tagaus, dass Du nur gut bist, wenn Du genau diesen und diesen Vorgaben entsprichst. Wenn Du genau in diese eine einzige Schablone passt.
Was ich davon halte, kannst Du hier noch einmal nachlesen.
Das alles ist absoluter Bullshit.
Mit Deinem Besten Ich rein gar nichts zu tun haben:
- Deine Ernährungsgewohnheiten
- Dein Gewicht
- Dein Körperfettanteil (da konnte ich nur noch den Kopf schütteln)
- Dein Fitnesszustand
- Deine Kleidergröße
- Deine perfekten Augen/ Wangenknochen/ Lippen oder Brüste
- Deine Unterwürfigkeit, Dein Sexualtrieb…
Worum genau geht es beim Besten Ich?
Wir sind jetzt hier nicht beim Kleinen Prinzen, aber Herr Saint-Exupéry hat den Nagel schon sehr gut auf den Kopf getroffen.
Wenn ich eines verstanden habe, auf meiner Suche nach der wirklichen Bedeutung des Besten Ichs, dann ist es das:
Dein Bestes Ich kannst Du nicht mit dem bloßen Auge sehen.
Dein Bestes Ich zeigt sich durch Deine Worte und Deine Taten.
Dein Bestes Ich zeigt sich in Notsituationen und im Alltag.
Dein Bestes Ich zeigt sich jeden Tag darin, wie Du mit anderen Menschen umgehst.
Dein Bestes Ich zeigt sich vor allem aber darin, wie Du mit Dir selbst umgehst.
Wo findest Du Dein Bestes Ich?
Die Frage wiederum ist ganz einfach zu beantworten, denn es gibt nur einen Ort, an dem Du Dein Bestes Ich finden kannst:
In Dir selbst.
Deshalb ist es auch völlig unnötig und vor allem kontraproduktiv, Dir von Zeitschriften, Blogs oder TV-Shows erzählen zu lassen, wie das ultimative perfekte Beste Ich auszusehen hat.
Keiner kann das wissen.
Kein Redakteur, kein Model, kein Blogger, kein Diätcoach, Fitnesstrainer und auch nicht Deine beste Freundin oder Deine Familie.
Wahrscheinlich weißt Du es im Moment auch selbst noch nicht.
Aber Du kannst es herausfinden.
Vorsicht: Die Suche nach Deinem Besten Ich ist nichts, was Du innerhalb von einer Stunde abgeschlossen hast.
Wie vieles im Leben ist auch die Selbstfindung ein Prozess.
Und hier gilt, wie immer:
Der Weg ist wichtiger als das Ziel
-Lao Tse (aus dem Daodejing)
Wie wirst Du Dein Bestes Ich?
Glücklicherweise gibt es eine ganze Reihe an Tipps, Tricks und Übungen für Deine Suche nach Deinem Besten Ich.
- Liebe Dich selbst.
- Achte darauf, dass Du Dich vor Dir selbst und vor anderen nicht kleinredest: Gefühle folgen Gedanken
- Stell Dich jeden Tag vor den Spiegel und sag Dir, wie unglaublich großartig Du Dich selbst findest (glaub mir, das wirkt Wunder!)
- Meditiere und verbinde Dich mit Deinem Inneren und entdecke wer Du wirklich bist
- Entdecke Dein inneres Kind und stelle ihm Fragen: Was für ein Mensch wolltest Du sein? Was wolltest Du erreichen? Was hast Du Dir gewünscht?
- Wofür brennst Du? Was sind Deine Leidenschaften?
- Welche Eigenschaften zeichnen Dich aus? Welche Talente hast Du und wie kannst Du sie Deinen Mitmenschen zur Verfügung stellen? (das bedeutet nicht umsonst!)
- Reise alleine los und wenn es nur einige Tage sind, Du wirst merken, dass Du Dich so besser kennenlernst.
- Suche Dir einen Kraftort (im Inneren oder außen) – was macht ihn aus, was zieht Dich an ihm so sehr an? (meiner ist zum Beispiel ein fiktionaler schottischer See oder das Meer)
- Lass los. Schau Dir alte Verletzungen genau an, verdränge sie nicht und dann such Dir Deine Loslass-Strategie raus (Ich stelle mir vor, meine Sorgen in den Sand zu schreiben und jede Welle spült sie ein bisschen mehr fort) und lass sie gehen.
- Gib Deiner Arschlochstimme einen neuen Job, statt gegen Dich zu arbeiten, soll sie Dein größter Fan werden. Du kennst die Art von Fans, oder? Sie soll eine Art Hagrid für Harry sein, T-Shirts mit Deinem Gesicht darauf tragen, Deinen Namen auf die Stirn und Dein Porträt auf die Arme tätowiert haben.
- Liebe andere anstatt sie kontrollieren zu wollen.
- Lästere nicht mehr.
- Nimm Deine Bedürfnisse ernst!
- Behandle Dich selbst wie die Königin, die Du bist.
- Nimm ruhig und demütig das Ruder Deines Lebens in die Hand.
- Hör auf Deinen Bauch.
- Triff Entscheidungen so, dass sie sich für Dich gut anfühlen und nicht für andere.
- Gib anderen Menschen keine Macht über Dich.
- Gönne Deinem Körper genügend Pausen.
- Gestalte Dein Leben so, dass es Dich aufbaut, inspiriert und erfüllt.
- Nimm an, dass Du eine Aufgabe hast, Du bist nicht aus Zufall hier (und das sage ich Dir jetzt als bekennende Nicht-Gläubige), es gibt Milliarden Menschen aber DICH gibt es nur genau einmal. Niemand hat genau das anzubieten, was Du zu geben hast.
- Sei echt und inspiriere andere durch Deine Echtheit.
- Sei aufrichtig.
- Lüge nicht.
- Steh zu Deinem Wort.
- Pass auf Deinen Körper auf, damit sich Deine Seele in ihm wohlfühlen kann.
- Wenn Du Probleme hast, die Du alleine nicht bewältigen kannst, suche Dir jemanden, der Dir hilft.
- Sei Du selbst.
- Denn Du bist wichtig.
- Und geh einfach los.
Um es gleich noch einmal mit dem Daodejing zu sagen:
Auch ein langer Weg beginnt mit einem ersten Schritt
-Lao Tse
Diese Liste ist kein Laufplan, keine Anleitung, keine Gebrauchsanweisung und keine Garantie.
Diese Liste ist nicht vollständig und ich werde sie sicher ergänzen!
Diese Liste musst (und sollst!) Du nicht von Punkt 1 bis Punkt 31 durcharbeiten.
Diese Liste ist gedacht wie ein Wanderweg, manche Etappen werden Dir leichter vorkommen, andere lassen Dich heulend zurück und wieder anderen wirst Du Deine teuren Wanderschuhe ins Gesicht schmeißen.
Fang bei einem beliebigen Punkt der Liste an und gehe den ersten Schritt.
Und bitte genieße ihn, den Weg auf der Suche nach Deinem Besten Ich.
Ich kann Dir nur eines mit Sicherheit sagen:
Es wird gleichzeitig leicht und schwer sein, aber es wird es wert sein!
Schwer und Leicht vollenden einander.
-Lao Tse
Hab eine gute Reise.
Ressourcen
Hol Dir das Hörbuch zu WILD kostenfrei im Audible Probemonat!
Cheryl Strayed – Wild: A Journey from Lost to Found
Cheryl Strayed – Der große Trip: Tausend Meilen durch die Wildnis zu mir selbst
Laotse Daodejing: das Buch vom Sinn und Leben
Wenn Du das Daodejing (Tao te king) noch nicht gelesen hast, solltest Du das unbedingt tun!
Hol Dir das Hörbuch kostenfrei im Audible-Probemonat: Laotse – Daodejing – Das Buch vom Sinn und Leben
Dunja Herrmann
Liebe Andrea,
ein schöner Gedankensplitter, die Frage nach dem besten Ich … Ich stelle mir vor, das beste Ich ist das, was wir im Kern sind. Wenn diese ganzen Hüllen um uns herum verschwunden sind – unser Ego, unsere irrationalen Ängste und Blockaden, unsere scheinbar wirkungsvollen Strategien und Muster, in denen wir agieren, um nur ja keinen Schaden zu nehmen.
Ich bezweifle, dass wir jemals dauerhaft unser bestes Ich leben können – das ist vermutlich nur ganz wenigen Menschen vorbehalten. Doch es gibt immer Momente im Leben – und davon bestimmt ganz viele -, in denen das beste Ich zwischen den Hüllen hervorblitzt und für eine Zeit lang sichtbar, wahrnehmbar und (er)lebbar ist. Du hast ja mit deiner Liste 31 solcher Momente und Möglichkeiten aufgezeigt, sein bestes Ich zu sein.
Liebe Grüße
Dunja
Andrea
Liebe Dunja,
ich hatte ein bisschen Sorge, dass es so rüberkommt, dass ich damit meine, dass wir NUR perfekt sein müssen. Und immer nur der Super-Yogi im Reinen mit sich selbst 😉
Ich glaube, das Beste Ich ist, wenn wir in uns ruhen und uns lieben und selbst ernst nehmen. Mit unseren Ecken und Kanten 🙂 Gerade auch ganz und gar nicht „perfekt“ und glatt 🙂
Und ich bin der Überzeugung, dass das Beste Ich kein statischer Zustand ist, sondern seine Form ändert; vielleicht ein bisschen wie Wasser.
Alles Liebe
Andrea
Alexandra
Grandios! 1000 Dank für diesen tollen Artikel!
Auch mich hat der Film sehr bewegt.
Viel Erfolg euch allen dabei Euer Bestes Ich zu sein! Mir fällt es auch noch manchmal schwerer als gedacht 🙂
Liebe Grüße,
Alexandra
Andrea
Ich danke Dir, liebe Alexandra 🙂
Und Dir auch ganz viel Erfolg auf Deinem Weg <3
Alles Liebe
Andrea
Sabine
Alles gesagt! Ganz ganz toller Post! Danke!
Werde endlich mal meditieren ausprobieren.
Nur dieses innere Arschloch kleinzukriegen… Das ist echt ne Aufgabe.
Andrea
Liebe Sabine,
über den inneren Kritiker hab ich mich hier noch mal ausführlicher ausgelassen und eine tolle Übung gefunden, mit der man ihn zum schweigen kriegen kann. Gut auch: Gib ihm ’nen neuen Job! Am besten den, auf Dich aufzupassen (denn pedantisch und nervig ist er ja allemal, dann kann er auch gleich was nützliches tun)