Und ich finde es toll, wie Sie die Kontrolle verlieren und und zu einem grünen, hässlichen Wutmonster werden.
-Tony Stark
Du hast ihn bestimmt auch gesehen, einen meiner Lieblingsfilme der letzten Jahre: The Avengers. Ich verehre diesen Film und das nicht nur, weil ich eigentlich ein totaler Obernerd bin Captain America ein Sahneschnittchen ist. (Sorry Schatz).
Die vielleicht beste Szene ist die, in der die bösen Aliens New York angreifen und plötzlich Bruce Banner auf einem alten Che Guevara-Gedächtnis-Motorrad angerollt kommt.
Tony Stark (Iron Man) versucht, seit Anfang des Filmes herauszufinden, was Banners Geheimnis ist. Wie funktioniert das nur mit ihm und dem „Hulk“? Wie hält er ihn unter Kontrolle?
Und in diesem Moment kommt der harmlos wirkende Doktor herangefahren und – endlich – verrät er sein Geheimnis.
„Ich bin immer wütend“
-Bruce Banner
Falls Du den Film noch nicht gesehen hast, entschuldige den Spoiler. Ich höre jetzt auch schon wieder auf mit den Superhelden, aber ich möchte Dich heute dazu inspirieren, Dir eine richtig große Scheibe von Bruce Banner abzuschneiden.
Warum das?
Der Hulk hat ganz ganz vielen von uns etwas entscheidendes voraus.
Er nimmt seine Wut an, weil er weiß, dass sie ein unumgänglicher Teil seiner Persönlichkeit ist.
Wahrscheinlich hältst Du mich jetzt für verrückt, weil ich Dir hier gerade am Beispiel eines fiktiven Superhelden erzählen will, wie Du Dein Leben leben sollst. Aber nehmen wir doch mal ein realeres Exempel.
Mich zum Beispiel.
Viel zu viele Jahre meines Lebens habe ich in dem Irrglauben verbracht, dass es etwas schlechtes ist, wütend zu werden. Es ist nicht so, dass ich einfach versucht hätte, immer total Zen zu bleiben, wenn ich die Wut gespürt habe. Bis vor wenigen Jahren kannte ich das Wort Zen nur im Zusammenhang mit diesen kleinen Tischgärtchen, die es irgendwann mal bei diesem großen Buchversandhandel zu kaufen gab!
Nein, ich habe mir vor vorne herein kategorisch verboten, Wut zu empfinden.
Wozu das langfristig bei mir geführt hat, weißt Du inzwischen ja schon. Glücklicherweise habe ich in den vergangenen Monaten, in denen ich brav einmal die Woche zu meiner (großartigen) Therapeutin gegangen bin, gelernt, wofür Wut gut ist.
Wut ist eines Deiner wichtigsten Gefühle
Liebe ist fantastisch, über Erfüllung, Zufriedenheit, Mut und Optimismus müssen wir gar nicht reden! Aber ziemlich weit oben, auf jeden Fall in den Top Ten ist Wut zu finden.
Wir lernen ethische Grundsätze, moralische Maßstäbe und christliche Grundwerte. Und sie alle suggerieren uns, meistens schon von Kindesbeinen an, dass Wut etwas schlechtes ist.
Und glaubt man den ganzen Artikeln, die im Internet kursieren zum Thema „Umgang mit Wut“, gibt es nur eine Herangehensweise um „Deine Wut in den Griff“ zu bekommen und ellenlange Aufzählungen von „10 Dinge die Du tun oder lassen solltest, wenn Du wütend bist.“
Die Unterdrückung.
Ich hoffe, Du verzeihst mir, wenn ich Dir heute keine Tipps präsentiere, wie Du Deine „Wut unter Kontrolle“ hältst oder Dir erzähle, dass du erstmal bis 12000 zählen sollst, wenn Dich etwas wütend macht.
Denn ich bin sowas von froh, wenn Du wütend wirst. Wie froh? Das kannst Du Dir gar nicht vorstellen.
Wenn Du Wut empfindest, bedeutet das, dass Dein Unterbewusstsein NICHT zufrieden damit ist, was gerade passiert. Und genau deshalb möchte ich Dir auch nicht erzählen, dass Du sie unter Kontrolle halten solltest, auf eine Chilischote beißt (true story!) oder zehnmal auf einem Bein hüpfst (dito).
Ich möchte, dass Du sie spürst. Ich möchte, dass Du Deine Wut wahrnimmst, weil sie einen Zweck erfüllt. Sie ist nicht gleichzusetzen mit Aggression oder Ärger.
Und im Gegensatz zur Angst, die oft sehr diffus ist (außer Dich verfolgt gerade ein Python oder so) und sich in 99% der Fälle auf einen Kontrollverlust zurückführen lässt*, ist Deine Wut nämlich vor allem eines:
Ein sehr deutliches Warnsignal.
Du solltest Dir Deine Wut ungefähr so vorstellen, wie ein kleines Kind, das an Deinem Hosenbein zupft, weil es Dir dringend etwas sagen will. Es lohnt sich wirklich, ihr zuzuhören.
So nutzt Du Deine Wut für Dich
Bleiben wir mal beim Bild des kleinen Kindes, das an Deinem Hosenbein zupft. Sicher hast Du schon mal irgendwo gesehen, wie ein Erwachsener ein Kind mit einem Anliegen ignoriert hat. Es wird nicht aufhören, immer wieder das gleiche zu rufen und zu schreien, bis es die Aufmerksamkeit bekommt, die es braucht.
Deine Wut solltest Du genauso behandeln, auch wenn Dich das Bild des kleinen Kindes erstmal amüsiert.
Wenn Du sie spürst, meistens als dieses seltsame Kribbeln in der Magengegend, das Dich zwingt, einmal tief Luft zu holen, dann schenke ihr diesen kurzen Moment der Aufmerksamkeit. Mehr braucht es oft nicht, denn es geht nicht darum, an Deiner Wut festzuhalten.
Gehegter und kultivierter Ärger, etwa gegen den blöden Nachbarn, die dämlichen anderen Leute beim Autofahren oder „schlechtes“ Wetter, macht Dich auf Dauer krank. Auch Wut aus der Kindheit oder Jugend (Stichwort Mobbing in der Schule) kann zu jahrelangem kochen Deines eigenen „Ärgersüppchens“ führen und das ist absolut kontraproduktiv!
Wenn Du Deine Wut für Dich nutzen kannst und willst, solltest Du in 3 einfachen Schritten vorgehen:
- Du nimmst Deine Wut wahr
- Du hörst Dir an, was sie Dir zu sagen hat
- Du lässt sie los
Für mich fühlt sich so richtig wütend sein inzwischen an, wie eine Brandrodung. Sie verbrennt das ganze Unkraut und hinterlässt fruchtbaren Ackerboden, auf dem ich gesunde neue Pflanzen ziehen kann.
Denn das allerbeste an der Wut – ja es geht sogar noch besser – ist: Sie ist einer der stärksten Antriebskräfte, die Du zu bieten hast.
Wut hilft Dir, gegen Unrecht einzutreten.
Wut rodet den Urwald an alten und kranken Strukturen, an die Du Dich über Jahre, Jahrzehnte gewöhnt hast und gibt Dir die Möglichkeit eines Neuanfangs.
Wut befreit Dich aus unangenehmen Situationen.
Wut bringt Dich mit Dir selbst in engen Kontakt.
Nutze sie um anderen Menschen Grenzen zu setzen und Deine eigenen zu sprengen.
Ich will Dir noch ein Beispiel geben: Ich hatte vor einigen Jahren einmal einen Kollegen, der mir ungelogen jedes Mal die dämlichsten Aufgaben zuschieben wollte, auf die er selbst keine Lust hatte. Damals habe ich mich jedes Mal schwarz geärgert, wenn er es wieder mal geschafft oder auch nur versucht hat. Ich habe ihm aber nie Grenzen gesetzt. Ich habe nie die aufkommende Wut angeschaut um herauszufinden, was sie mir sagen wollte.
Ich wurde ungerecht behandelt und das machte mich – zurecht – wütend. Heute hätte der Kollege kein leichtes Spiel mehr bei mir, ich würde ihm deutlich zu verstehen geben, dass diese Aufgabe nicht meine ist, sondern seine.
Übrigens: Manchmal ist bis 10 zählen gar keine schlechte Idee, vor allem wenn es darum geht, die Wut in sozial verträgliche Worte zu verpacken. Denn konstruktiv sollte sie immer sein und das ist dann auch das, was Dich vom Hulk unterscheidet.
Aber mein Opa, Yogalehrer, Zen-Mönch, Arschloch im Kopf hat gesagt, Wut ist schlecht
Ein Wort zum Schluss: Bullshit.
Wut ist nicht schlecht, weil es keine schlechten Gefühle gibt. Wut wird deshalb als „schlecht“ angesehen, weil viele Menschen sie, wie ich oben bereits erwähnt habe, mit Aggressionen verwechseln. Die beiden haben aber nichts miteinander zu tun. Wut ist weder gewalttätig, noch handgreiflich. Wut ist. Und das ist auch gut so!
Erzähl doch mal: Wann bist Du das letzte Mal wütend geworden und weshalb?
Heums
Wenn mir Geräusche auf den Keks gehen, werde ich IMMER wütend, ich wünsche mir in solchen Momenten, taub zu sein. Wenn es still ist, kann ich gut schlafen, aber Lörm macht mich wütend!!!
Andrea
Wenn ich mich reinsteigere, macht mir der Lärm noch mehr aus. In solchen Momenten hilft nur atmen und eventuell ein Kontrastprogramm (entspannende Lieder, Geräusche usw.).
Agi
Danke für diesen herrlich nerdigen Beitrag. Ich brauchte noch Material für meine Therapiehausaufgabe. Vielleicht schaffe ich es ja irgendwann auf meinen inneren Hulk zu hören😆
Andrea
😀 My pleasure!