In meiner Firma gibt es zweimal im Jahr jeweils eine Woche lang einen riesigen Bücherflohmarkt. Der ist für wohltätige Zwecke und in der Vergangenheit habe ich ihn geliebt.
Jeden Tag ging ich mindestens einmal hin. Und ich schleppte taschenweise Bücher nach Hause, die ich dann – wie Du ja bereits weißt – praktisch alle nicht gelesen habe.
Seit Dezember meide ich die Flohmärkte also. Nur ein einziges Mal wurde ich schwach. Ich hatte mir einen Kaffee geholt aus der Kantine und auf dem Rückweg blieb ich hängen.
Besonders der Tisch mit den Selbsthilfebüchern – der zieht mich immer besonders an…
Und eigentlich wollte ich ja an diesem Tag gar nichts kaufen.
Nutzte ich nicht genau diese zwei Worte um in Momenten, in denen ich eigentlich NEIN sagen wollte aber nicht konnte, auf den ersten Blick JA zu sagen, auf den zweiten ABER doch ein NEIN hinterherzuschieben?
Außerdem habe ich mich in der Klinik und meiner Therapie sehr intensiv mit der Wirkung von Worten auf unsere Gefühle auseinander gesetzt.
Ein ganzes Buch nur über diese zwei Worte zu lesen schien mir wunderbar zu sein.
Aber…
Ich habe das Buch bis vor kurzem nicht angerührt.
Es gab immer andere Dinge zu tun, immer war alles andere wichtiger.
Und als ich es dann doch aufgeschlagen habe, war ich enttäuscht. Nur das erste Kapitel befasst sich mit dem kleinen Wörtchen aber.
Die restlichen 14 Kapitel haben Titel wie „Ich ärgere mich maßlos“, „Ich will mehr!“ und „Die Zeit nehme ich mir jetzt einfach.“
Natürlich habe ich es trotzdem gelesen und bereits nach zwei Kapiteln war mir klar: Das muss ich für Dich rezensieren!
Inhalt
„Fünfzehn alltägliche Worte, die aus unserem Wortschatz kaum wegzudenken sind, beeinflussen ganz unbemerkt unser Bewusstsein und damit unser Leben. Denn die heimliche Kraft dieser Worte verwandelt das Gesagte, häufiger als wir ahnen, in das Gegenteil dessen, was wir eigentlich fühlen oder mitteilen wollen. Nach Aussagen wie ‚Mir geht es gut, aber…‘ kann von gut gehen keine Rede mehr sein, denn alles was dem aber folgt, macht die eigentliche Aussage und das reale Gefühl zunichte“
-Lelia Kühne de Haan – Ja, aber… – Klappentext
Je ein Kapitel also zu Aber, Ärger, Entscheidungen, Fehler, Geben und Nehmen, Mehr, Müssen, Nicht, Schuld, Sicherheit, Sorgen, Versuche, Vertrauen, Zeit und Zuverlässigkeit.
Das Buch ist quasi Dein Schweizer Taschenmesser für Deine Reise einmal quer durch Deine Gefühlswelt.
Was ich mochte
Die Autorin stellt in jedem Kapitel Situationen vor, in denen Du Dich sofort wieder findest.
Ob es nun darum geht, dass Du Dir Sorgen machst über Dinge, die weit in der Zukunft liegen und Du schon mal vorsorglich ein absolutes Schreckgespenst entwirfst (Dein Horrorszenario) um dann nur ja nicht überrascht zu werden, wenn die Situation endlich eingetroffen ist.
Oder Du Dich über einen Fehler, den Du gemacht hast, aufregst, Dich vielleicht sogar schämst und Dir sagst „Den Fehler hätte ich mir auch sparen können“.
Der Augenöffner schlechthin ist das Kapitel über Geben und Nehmen und auch das über Mehr und Nicht und…
Du merkst es schon, mir gefällt das gesamte Buch sehr gut.
Ein Lieblingskapitel habe ich in dem Sinne nicht, jedes hat seine ganz eigene Stärke.
Mein Lieblingszitat habe ich dennoch! Du findest es im Kapitel „Müssen“:
„Zu müssen ist ein Dopingmittel, das wir mehrmals täglich einnehmen […] Nur mit dem Unterschied, dass wir sie […]uns nicht zu beschaffen brauchen, weil wir nicht nur lernten, wie man sie selbst herstellt: ‚Ich muss’, sondern auch, wie man mit ihr dealt: ‚Du musst.’
Doch so viel wir davon auch schlucken, seine Wirkung macht uns nicht high, sondern deprimiert. Sie drückt uns im wahrsten Sinne des Wortes nieder, weil die Halluzination zu müssen permanent einen unbewussten Druck auf uns ausübt.“
Lelia Kühne de Haan – Ja, aber. S. 86.
Lelia Kühne de Haan schafft es, vermeintlich total trockene Themen in witzige und erfrischende Sprache verpackt, zu behandeln. Und das meine ich genauso wie ich es sage.
Dieses Buch verändert etwas in Dir.
Das Buch ist eine Kurztherapie in sich!
Ich merke schon jetzt, dass dieses Buch zu lesen, etwas bei mir bewirkt hat.
Gestern im Gespräch mit einer lieben Bekannten ertappte ich mich mehrmals dabei, genau die Worte, die in „Ja, aber…“ aufgegriffen werden, zu benutzen.
Und ich konnte mich gleich korrigieren und merkte, wie sich das, was ich sagte verändert hat.
Anstatt sehr abgegrenzt zu sprechen und so, als hätten wir unser Leben nicht selbst in der Hand sondern wären den Launen der äußeren Umstände unterworfen, habe ich plötzlich ganz persönlich geredet.
Ich habe klar und deutlich meine Meinung geäußert und mich nicht hinter Phrasen versteckt. Und ich habe sofort gemerkt, wo ich unbewusst Druck und meine eigenen Gefühle oder Vorurteile auf meine Bekannte übertragen wollte.
Eine sehr schöne Erfahrung!
Was ich nicht mochte
Ja, da gab es auch etwas. In Teilen ist das Buch etwas „durch die Brust ins Auge“ geschrieben.
Ich gehe mal davon aus, dass Du damit kein Problem haben wirst. Was es allerdings bewirkt, ist: Es zwingt Dich dazu, recht langsam zu lesen, damit Du ja nicht die superwichtige Aussage verpasst.
Manche Aussagen sind auch im selben Kapitel doppelt gemoppelt – das dürfte aber Absicht sein. Denn so bleiben sie einem sehr gut im Gedächtnis.
Fazit
Wenn Du Interesse an einem ehrlichen und witzigen Buch über die Wechselwirkung zwischen Gefühlen und Deiner Sprache hast, ist „Lelia Kühne de Haans „Ja, aber…“ eine sehr gute Anlaufstelle für Dich.
Obwohl Du nicht im Eiltempo durchrauschen kannst, liest sich das Buch sehr schnell (2-3 Tage).
Wenn Du es liest, gib Dir die Zeit, die Kapitel sacken zu lassen. Das muss nicht ewig sein, hol Dir nach jedem Kapitel ein Glas Wasser oder geh eine Runde durch Deine Wohnung.
Es ist vollgepackt mit Informationen und kann Dich enorm weiterbringen, wenn Du es denn lässt!
Fakten:
Autorin: Lelia Kühne de Haan (Website)
Preis: 6,99€
Umfang: 192 Seiten
Du bekommst das Buch z.B. hier auf Amazon!
Das Hörbuch zu „Ja, aber…“ bekommst Du im Audible-Probeabo kostenfrei!
Andrea
Vielen Dank für die Rezension. Sprache ist schon lange mein Thema. V.a. Worte wie MÜSSEN und ABER. Ich habe MÜSSEN in Wikipedia nachgeschlagen: es handelt sich hier um eine Stadt. Es gibt keinen Grund, diese in meinem täglicher Sprache zu erwähnen, wenn ich dort nicht wohne 😉 Ich werde mir das Buch ansehen.
Andrea
Liebe Andrea,
jetzt hast Du mich gerade herzlich zum Lachen gebracht 😀 Sehr gute Einstellung! Sag mir doch, wie Dir das Buch gefällt, ja?
Alles Liebe,
Deine Namensvetterin 🙂
Christin
Hallo Andrea,
das Buch klingt spannend, kommt gleich mit auf meine Leseliste 😉
Mir ging es neulich in der Stadtbibliothek ganz ähnlich wie dir. Ich habe zufällig ein Buch mit dem Titel „Ja-aber was, wenn alles klappt?“ entdeckt und musste es einfach mitnehmen. Ich bin gerade erst im ersten Kapitel, daher kann ich noch nicht so viel dazu erzählen. Es geht weniger um die Worte an sich, als um die innere Einstellung. Es wird zwischen den Einstellungen „Ja-aber“, „Ja-und“ und „Nein-weil“ differenziert.
Wenn du magst, kann ich dir gerne schreiben, wie das Buch weitergeht, wenn ich es denn selbst weiß 😉
Viele Grüße
Christin
Andrea
Liebe Christin,
oh ja bitte! Das klingt auch super! Ich liebe solche Zufallsfunde, die sich dann als spannende Lektüre herausstellen 🙂
Liebe Grüße!
Andrea