In letzter Zeit habe ich viel nachgedacht über Selbstdisziplin. So viel, dass ich mich heute genauer mit ihr auseinandersetzen möchte. Was versteht man überhaupt unter Selbstdisziplin, inwiefern nützt sie Dir und kann sie auch schädlich sein?
All diese Fragen beantworte ich heute!
Was ist Selbstdisziplin überhaupt?
Selbstdisziplin ist ein andauerndes, „eigenkontrolliertes Verhalten, das einen Zustand aufrechterhält oder herbeiführt, in dem es Anstrengungen aufwendet, die den Ablenkungen von einer Zielvorgabe entgegenwirken.“*
Selbstkontrolle? Anstrengung? Zielvorgaben?
Ganz ehrlich, für mich klingt das nach etwas, bei dem ich meine Arme vor der Brust verschränke, demonstrativ in die andere Richtung schaue und mir denke: „Ne lass mal vielleicht brauche ich ja diese Selbstdisziplin doch nicht…“
Doch je länger ich darüber nachdenke und vor allem, je länger ich nachspüre, desto besser verstehe ich es.
Selbstdisziplin sind nichts anderes als Routinen, die Du etablierst. Sie ist ein Muskel, den Du trainierst um ihn zu stärken, sie ist die Brücke zwischen einem Wunsch und Deinem Erfolg.
Sie ist die Wahl, die Du jeden Tag triffst, die Entscheidung gegen Dein Ego und für Dich selbst.
Selbstdisziplin – lerne ich das in der Schule?
Vor einigen Tagen stolperte ich zudem über eine Diskussion über das deutsche Schulsystem. Selbstdisziplin, Zähne zusammenbeißen, Durchhalten würde einen dort gelehrt, kurzum: man würde vorbereitet darauf, was es bedeutet, erwachsen zu sein.
(Was es über unser Schulsystem sagt, dass Pädagogen der Meinung sind, Zähne zusammenbeißen, Wissen auswendig lernen, es möglichst 1:1 zu reproduzieren und es nach der letzten Prüfung vergessen zu können, für Fehler bestraft und für Konformität belohnt zu werden, habe auch nur einen Hauch damit zu tun, was es bedeutet, ein erwachsener Mensch zu sein, lasse ich jetzt dahingestellt.)
Ich weiß auch nicht genau, in welche Schule diese Menschen gegangen sind, ich selbst habe Selbstdisziplin nie in einer Bildungseinrichtung gelernt.
Als ich ein Kind war – und glaubt man Wissenschaftlern, ist das die Phase des Lebens, in der man Selbstdisziplin vermittelt bekommt – habe ich nur zwei Dinge gelernt, die zum Erfolg führten: Aufgeben und Durchmogeln.
Zum einen liegt das natürlich an meiner Familie, denn sobald wir keine Lust mehr hatten, sich ein Umstand änderte oder wir Zweifel hegten, durften meine Schwester und ich sofort die Segel streichen. Warum das – unter Umständen – ein Fehler sein kann, dazu komme ich gleich.
Es gibt nur einen Moment, in dem meine Mutter mir Grenzen aufzeigte und zwar, als es ich den Wunsch äußerte, meine Ausbildung abzubrechen.
Heute bin ich ihr verdammt dankbar dafür, denn die Lektion war eine wertvolle, die ich viel früher hätte lernen müssen; in diesem Moment aber war ich stinksauer, überfordert und im Nachhinein ausgelaugt.
Aufgeben, Dranbleiben oder Zähne zusammen beißen?
In meinen Augen gibt es Situationen, in denen Selbstdisziplin ein wichtiges Mitglied in Deinem eigenen Erfolgsteam sein kann.
Beim Erlernen eines Musikinstruments zum Beispiel wird es Tage geben, an denen Du keine Lust darauf hast, zu üben. Es wird Wochen und Monate geben, in denen Du über eine schwierige Stelle in einem Stück nicht hinweg kommst und geneigt bist, das Handtuch zu werfen. Bleibst Du hier am Ball (oder an den Tasten), wartet auf der anderen Seite dieser Herausforderung eine unglaubliche Belohnung auf Dich.
Ich selbst erlebe es gerade mit dem Yoga. Seit September befinde ich mich in der Ausbildung zur Yogalehrerin. Ich merke, dass mir tägliche Praxis auf der Matte nicht nur verdammt gut tut, mich erdet und mir Spaß macht, sondern mich massiv beim Vorankommen unterstützt. Es ist genial, zu sehen, wie jeden Tag die Fersen im herabschauenden Hund ein Stückchen näher in Richtung Boden streben. Und dann auch wieder Tage zu haben, an denen sich alles eng anfühlt und ich nur auf den Zehenspitzen stehen kann.
Würde ich nur einmal die Woche auf die Matte gehen und einen solchen Tag erwischen, wäre ich völlig frustriert und würde vielleicht das Handtuch werfen. Da ich mich aber mit Selbstdisziplin dazu bringe, jeden Tag 10 Minuten zu praktizieren, erlebe ich meinen Fortschritt und genieße eine tägliche Dosis Energie.
Selbstdisziplin vs. Selbstkasteiung
Es gibt in der Balance unseres Lebens einen wichtigen Unterschied zwischen Selbstdisziplin und Selbstkasteiung. Selbstdisziplin ist an manchen Tagen von Nöten, weil in Deinem Kopf diese kleine Stimme sitzt, die manche den inneren Schweinehund nennen; ich nenne sie das Ego.
Dein Ego möchte Dich in einer Komfortzone halten, dort ist es vermeintlich leicht und einfach für Dich. Von Dir wird keine Bewegung verlangt, Du versumpfst innerlich mit einer Tüte Chips auf dem Sofa (und häufig auch nicht nur innerlich…). Du wirst träge. Selbstdisziplin hilft Dir dabei, Momentum in Dein Leben zu bringen.
Great things never came from comfort zones heißt es in einem bekannten Zitat, das durch das Internet geistert. Eine gesunde Dosis Selbstdisziplin ist der Treibstoff dahinter.
Die Grenze verläuft für mich ganz klar da, wo es für Dich zu einem Zwang wird. Nehmen wir noch mal Yoga als Beispiel. Musst Du Dich zwingen, Yoga zu machen, ist es vielleicht einfach nicht Dein Weg oder Du bist noch nicht bereit dafür. Zwingst Du Dich dazu, täglich 3 Stunden zu praktizieren, ist es entweder eine Flucht oder eine Sucht geworden.
Selbstkasteiung, Zwang bedeutet, etwas zu über-treiben.
Kleine Gewohnheiten statt riesige Veränderungen
In einem TED-Talk lernte ich kürzlich etwas über kleine Gewohnheiten, die mittel- bis langfristig zu einem riesigen Drehmoment in Deinem Leben werden können.
Der Vortragende, ein Dozent an der renommierten Stanford University, stellte ein Konzept vor, im Rahmen dessen Du eine neue kleine Gewohnheit mit einer bestehende verankerst.
Sein Beispiel war, dass er nach jedem Toilettengang 2 Liegestütze machte. After peeing, I do two push ups. Klingt erstmal witzig, aber es funktioniert erstaunlich gut.
Woher ich das weiß? Ich hab es selbst getestet! Schon länger habe ich tagsüber so wenig getrunken, dass ich vollkommen dehydriert war und sogar Kreislaufprobleme bekam. Dass das nicht gesund ist, muss ich Dir wohl nicht sagen! Aber egal, wie diszipliniert ich versuchte zu sein, ich merkte nachmittags plötzlich, dass ich mein großes Pintglas (etwas mehr als ein halber Liter) mit Wasser vom Vormittag nur zu einem Drittel geleert hatte.
Und spätestens da wird einem klar, dass die Signale, die Körper, Geist und Seele geben und die Selbstdisziplin eigentlich überflüssig machen würden, oft und viel zu leicht vom Ego übergangen werden!
Also führte ich eine neue Gewohnheit ein und verankerte sie. Nach jedem Spaziergang mit meinem Hund (=bisherige Gewohnheit, Anker) mache ich mir einen Liter Tee und trinke ihn (=neue Gewohnheit). Ob ein ganzer Liter Tee nun eine kleine Gewohnheit ist oder nicht, überlasse ich Deinem Urteil, halbe Kannen Tee fände ich allerdings echt lächerlich!
Das Ergebnis ist, dass ich nun am Tag 3 Liter Tee trinke, mich viel besser und kraftvoller fühle. Mit Yoga mache ich das übrigens ähnlich, nach meinem Morgenspaziergang füttere ich den Hund (Anker) und mache dann 10 Minuten Yoga (kleine Gewohnheit) und sage damit Adios Ego, hola Selbstdisziplin.
So viel kann ich Dir schon verraten: Wir zwei mögen uns!
Und, hast Du schon eine Idee, welche kleine Gewohnheit Du Dir ins Leben holen möchtest?
Merk Dir diesen Artikel jetzt auf Pinterest!
Sowas von genialer Tipp mit den kleinen Gewohnheiten!! Danke für die Idee!!
Liebe Andrea,
danke für deinen nachdenklich machenden Text!
Bei mir war es anders. In meiner Kindheit habe ich nur gelernt, dass ich stark sein muss, aufgeben keine Lösung ist und Schwäche zeigen nicht geht. Und so stehe ich als Erwachsene hier und versuche zu lernen, dass ich auch mal schwach sein darf und mir etwas auch mal nicht gelingen darf oder ich etwas auch einfach mal sein lassen kann. In Selbstdisziplin bin ich also echt gut, im Schleifen lassen echt schlecht.
Beides hat Vor- und Nachteile. So wie du deine Vorerfahrungen und dein jetziges Umsetzen beschreibst, klingt wie eine Umkehrung dessen, was ich versuche.
Ich wünsche uns beiden genügend Durchhaltevermögen und innere Stärke!
Liebe Grüße, Frauke
Liebe Frauke,
da bin ich absolut bei Dir! Beides hat Vor- und Nachteile und das Ziel ist – für mich zumindest – eine Balance zu finden, zwischen „auch mal an was dran bleiben“ und, grob gesagt, gut zu sich selbst zu sein.
Ich wünsch Dir alles Liebe!
Andrea
Hallo Andrea,
danke dir für den Beitrag. Ich stimme dir voll zu. Und die Idee mit dem Anker ist super.
Hallo Andrea,
schöner Beitrag 👍🏻
Was ich aber noch interessanter finde, ist, dass wir gleich mehrere Sachen gemeinsam haben: meine morgendliche Yoga-Routine hatte ich erst dann einhalten können, als ich es an meine Gewohnheit koppelte, morgens zuerst ein Glas Wassser zu trinken. Ebenso habe ich auch eine chronische Sehnsucht nach dem Meer, ich kann nicht einen Tag ohne Kaffee auskommen, ich Suchti 😜, und ich bin gerade dabei einen Blog aufzubauen, der Eltern/vorwiegend Frauen dabei unterstützt, ein eigenmächtiges und selbstbestimmtes Leben zu führen. Ich würde mich freuen, wenn du bei mir vorbeischaust.
Weiterhin viel Erfolg für deinen Blog und für deinen ganz persönlichen Weg.
LG
Ewa
Hi Ewa,
ui wie super, da schau ich unbedingt vorbei – Eltern und selbstbestimmt, ein ganz wichtiges Thema!
Schön, dass Du hergefunden hast und Dir auch ganz viel Erfolg beim Weiterwachsen!
Alles Liebe
Andrea