++Das Wort für den Monat Mai ist Schlichtheit++
Die Nachwehen der Hochzeit meines besten Freundes haben für mich sehr schnell klar gemacht, dass das Wort für den neuen Monat eben dieses ist. Ein Lieblingswort. Schlichtheit.
Das Wort schlicht ist für mich schon immer ein positiv belegtes gewesen. Auf das Nötige reduziert lenkt etwas schlichtes Deine Aufmerksamkeit nur auf eines: das Wesentliche, das Besondere. Das mag ich.
Während ich also gerade hier sitze, an einem grauen Morgen in England, überlege ich, wo ich mit diesem Artikel hin will. Vermutlich wird er kein Coming Out enthalten, keine Belehrung. Aber vielleicht eine Ermunterung.
Versuchslabor: Leben
Die Zeit zwischen dem Verlassen meines Jobs und dem Zeitpunkt, an dem ich unseren Hund Hamlet wieder zu uns hole, habe ich als Testzeitraum auserkoren.
Zwischen dem 1. April und Anfang August also teste ich das Lebensmodell Reisen und Arbeiten. Erste Station ist ein Aufenthalt im Haus meiner Family hier im Südwesten Englands. Ich darf hier ein Zimmer beschlagnahmen.
Morgen fahre ich auf die Isle of Wight, wo ich mir die Seeluft um die Nase wehen lasse. Am Tag danach geht es für mich vielleicht nach Cornwall. Oder doch in den Norden.
Für insgesamt 4 Wochen schlafe ich also auf einer Luftmatratze in einem Schlafsack (und einer dicken Decke, ich bin schrecklich verfroren).
Mein Kleiderschrank und mein Büro für die nächsten Wochen ist mein 40-Liter-Rucksack.
Nach England bin ich kurz zuhause, dann im Burgenland in Österreich, dann in Berlin. Dann sehe ich endlich meine Familie und meinen Hund wieder. Und dann geht’s zurück nach Wales.
Fokusverschiebung
Vor Kurzem saß ich mit dem Mann im Zug. Wir waren grad auf der Rückreise unseres Mini-Urlaubs zum Jahrestag. Beide waren wir ausgestattet mit kleinen Reisetaschen (wir sind das peinliche Pärchen mit den matching Rucksäcken) und ich dachte in diesem Moment: „Wow, wie genial wäre es, wenn unsere Wohnung abgebrannt wär?“
Wir hatten alles bei uns, was wir brauchen. Kleidung, unsere Laptops. Und noch viel wichtiger: uns.
Was ich in diesem Moment gespürt habe, war die pure Freiheit.
Versteh mich nicht falsch. Ich liebe es, ein Zuhause zu haben. Ich umgebe mich gerne mit schönen Dingen und flippe ein bisschen aus, wenn ich in tollen Häusern übernachten darf. Und lange Zeit war das alles für mich. Eigene 4 Wände, der Ausdrück für Sicherheit.
Ein Schrank voller Kleidung. Ein Paar Schuhe für jeden Tag des Monats.
Kompensation. Löcher stopfen.
Und dann erlebst Du sie. Die Momente, die Du nicht mit Geld kaufen kannst. Die Erlebnisse, die Du nie vergessen wirst. Die Dinge, von denen Du gar nicht wusstes, dass sie auf der eigenen Bucket List zu finden sind.
Einschränkung ist Liebe
Ich beschränke mich selbst. Freiwillig. Ich lebe ein schlichtes Leben, weil ich mein bestes Leben leben will.
Ich will aus der Zitrone des Lebens jeden einzelnen Tropfen quetschen.
Ich will ein Gesicht voller Lachfalten und diese kleinen Glücksmomente, in denen Dein Magen ein bisschen absackt für jeden Tag des Jahrhunderts.
Ich will mein Zuhause in den Menschen finden, die ich liebe. In den Ländern, in denen ich meine Kopfhörer nicht brauche, weil die Musik des Lebens mir genug ist. In mir, nicht in einem Gebäude aus Stein.
Ich finde meine Sicherheit in der Freiheit. Im Vertrauen, dass alles zum richtigen Zeitpunkt passiert. Im Wissen, dass das Leben vorwärts gelebt, aber rückwärts verstanden wird. Und dass es nichts macht, wenn Du mal was nicht verstehst. Weil das Puzzleteil irgendwann seine Stelle findet.
Weil Du manchmal fünf Schritte zurückgehen musst und dann nicht mehr jeden Pinselstrich des Gemäldes sehen kannst, aber dafür das Gesamtbild.
Mach Dich frei
Hab den Mut dazu, ein schlichtes Leben zu führen. Hab den Mut, Dir von anderen sagen zu lassen, Du müsstest mal was erleben. Und dann mach trotzdem genau das, was Du sowieso machen wolltest.
Zieh Dich aus, mach Dich frei, Du bist erwachsen
lass uns sehen was passiert.
Woher du kommst kannst du nicht ändern,
wohin du gehst liegt nur an Dir.
Schmeiß alles ab, was du nicht brauchst,
zieh mit dem Wind und zieh Dich aus
Diese Textzeilen aus einem Lied, das im Club meiner Jugend immer gespielt wurde, höre ich bis heute gern.
Freiheit ist für Dich etwas komplett anderes, als es für mich ist. Aber die Bedeutung des Wortes bleibt die gleiche.
Konzentriere Dich auf das Wesentliche. Lebe schlicht, aber lebe.
Linda
Einfach wunderbar! Danke dafür!…und von Herzen alles Liebe. Weiter so!!!❤
Romy
„Ich will mein Zuhause in den Menschen finden, die ich liebe. In den Ländern, in denen ich meine Kopfhörer nicht brauche, weil die Musik des Lebens mir genug ist. In mir, nicht in einem Gebäude aus Stein.“
Besser hätte ich es niemals sagen können, genau das will ich auch 🙂
Gudrun
Richtig schön geschrieben, Andrea, inspirierend. Schlichtheit, ein Lieblingswort – ja! (Warum hat mich wohl dieser Artikel gereizt ;)?) -Ich bin nicht so reiselustig wie du, obwohl ich ab und zu gern verreise und das Freiheitsgefühl dabei auch genieße. – Jedoch: bei der Schlichtheit treffen wir uns. Sie zieht mich an und tut mir gut.
Andrea
Hallo liebe Gudrun,
diese Anziehungskraft kann ich sowas von nachvollziehen 🙂
Versteh ich vollkommen. Ich liebe es, zu verreisen, aber jetzt gerade sitze ich zum Beispiel auf meinem Balkon, schaue ins Grüne und genieße gerade die Freiheit, nirgendwo sein zu müssen als in meinem Zuhause 🙂 Ganz schlicht und ergreifend (im wahrsten Sinne der Worte)
Alles Liebe,
Andrea