Vor einiger Zeit fühlte ich mich wie die schlechteste Freundin der Welt. Eine liebe Person feierte einen Meilenstein, ich hatte zugesagt und dann den Termin vergessen.
Als ich mich erinnerte (Sonntag) war das Fest schon längst rum ums Eck (Mittwoch) und ich außerdem bei meiner Familie inmitten von Feldern und Wiesen und Wäldern.
Den restlichen Tag schämte ich mich in Grund und Boden. War ich komplett auf dem Holzweg und wirklich so egoistisch, wie manch einer schon vermutet hat? Würde mir meine Freundin jemals verzeihen (Spoiler alert: Ja!)? Und noch schlimmer: ich hatte was verpasst.
Der Zug ist ohne mich abgefahren. Wieder mal.
Sie hatte mich fest im Griff, die FoMO, die Fear of Missing Out.
Die Angst, was zu verpassen
Sie ist in unserer Gesellschaft überall präsent. Wir sind ständig auf der Jagd nach etwas, das wir noch mitnehmen können. Noch ne Party, noch ein Kaffee, noch ein Workshop…
Wir haben uns versklavt und uns die Herren selbst geschaffen. Social Media, Smartphones, Push-Notifications, die kleinen roten Bubbles, nach denen wir süchtig sind wie die Menschen in Huxleys Schöne Neue Welt nach Soma, ihrem Glücklichmacher. 3 neue Mails, 16 neue Benachrichtigungen, 2 neue Freundschaftsanfragen von Menschen, die Du noch nie gesehen hast.
Sie alle verursachen dieses Gefühl in unserem Bauch. Dieser kurze Adrenalinkick, der Thrill of 30 Seconds.
Was erwartet mich hinter diesen Benachrichtigungen? Was schreiben sie, was ist passiert? Wo kann ich dabei sein?
Und wenn wir es dann doch verpasst haben, kommt die Selbstkasteiung. „Hättest Du mal…“ und „Du könntest jetzt gerade…“ und „Was wäre gewesen, wenn…“.
Der Traumprinz, ein Geheimnis, das wir gern als erstes gewusst hätten, ein schöner Abend oder einfach nur das Gefühl, dazuzugehören. Teil von etwas zu sein und nicht nur auf uns allein gestellt.
Du kennst das Gefühl, oder? Denkst Du gerade an diese eine, zwei, drei Situationen, die Dir noch besonders präsent sind?
An diese eine Reise, auf der Du wieder nicht alle Sehenswürdigkeiten geschafft hast? An diesen Telefonanruf, den Du verpasst hast? An eine Party, auf die Du keinen Bock hattest und an den Abend, den Du alleine zuhause verbrachtest und Dir die Leute beim Spaß haben vorgestellt hast, während Du Serien auf Deinem Laptop geschaut hast?
Girlfriend, ich möchte, dass Du mir jetzt ganz laut und deutlich nachsprichst:
FoMO – fuck you!
Die Angst, was zu verpassen, ist eine dieser Ängste, die wir nicht brauchen. Sie ist sehr eng verwandt, mit der Angst, nicht dazuzugehören, von der Herde verstoßen zu werden.
Und noch mal: FoMO, fuck you very much! Du brauchst sie nicht! Alles, was sie bewirkt, ist, dass Du Dein Leben an den Erwartungen und Vorstellungen anderer ausrichtest (oder, wie wir ja inzwischen weißt, an den Erwartungen, die Dein Umfeld nur vermeintlich an Dich hat, denn in Wirklichkeit bist Du es selbst, die Dir diesen Stress produziert!)
Getrieben von dieser Angst hetzt Du durch Dein Leben. Für die Blumen am Straßenrand hast Du keinen Kopf.
Während ich das Fest verpasste, von dem ich Dir eingangs erzählt habe, ging ich mit meinem Hund in den Feldern spazieren. Ich setzte mich auf diese besondere Bank am Waldrand. Von ihr aus blickte ich über die Felder und zurück auf das Dorf, das ganz friedlich vor mir da lag. Der Wind spielte in den Wipfeln über mir eine Symphonie, nur für uns zwei.
Mit seinen sanften Fingern strich er durch die noch grünen Ähren der Haferfelder vor mir, über meine Wangen und Hamlet durchs Fell. Aufgetankt spazierten wir weiter über staubige Gehwege, blieben immer wieder stehen um die Stille zu genießen, den Hund zu streicheln und meinen Gedanken zuzuhören.
Während ich zuhause alles verpasste, meine Facebookfeed ruhte und ich E-Mails E-Mails sein ließ, schlief meine kleine Nichte in meinen Armen ein. Während ich den Laptop zugeklappt und das Smartphone im Flugmodus ließ, rief ihre große Schwester nach mir um mir Schnecken zu zeigen oder Kuckuck zu spielen.
Warum wir viel öfter mal was verpassen sollten
Ich wäre immer noch sehr gerne bei meiner Freundin gewesen um mit ihr zu feiern. Aber ich kann es nicht mehr ändern.
Im Englischen gibt es einen Ausspruch: The past is a place of reference, not of residence. Frei übersetzt heißt das, dass Du nicht in der Vergangenheit lebst, Du lernst nur aus ihr.
Verpass‘ doch einfach mal wieder was, ohne Dich dafür zu hassen oder Dich darüber zu ärgern. Verpass doch einfach mal wieder was und wenn Du es doch schade findest, lernst Du für die Zukunft daraus. Vielleicht willst Du doch öfter mal Ja sagen. Öfter mal dabei sein.
Aber wenn nicht, ist das auch okay. Sei nachlässig mit Dir selbst, Du hast die Entscheidung für Dich getroffen, für Dich ist noch lange nicht gegen alle anderen! Alle anderen sehen Dich morgens nicht im Spiegel. Alle anderen wissen nicht, wie es in Dir aussieht. Alle anderen wissen nicht, was Du jetzt gerade brauchst. Jetzt, in diesem Moment. Denn nur der ist es, der zählt.
Wer den Moment genießt, genießt das ganze Leben.
-Unbekannt
Verpass doch mal wieder was!
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